Wir Bredemeiers

Familienbande

 

An dieser Stelle möchten wir die verschiedenen Bredemeiers vorstellen.

Woher kommt Ihr?

Wie seid Ihr an Euren Wohnort gekommen? 


Sippe Ruhrgebiet: Gerda und Willi Bredemeier

Vom Land ins Ruhrgebiet und wieder zurück:
Auf den Spuren von sieben Jahrzehnten Wandel

 

Gerda Bredemeier: Die Großmutter von Gerda Bredemeier, geborene Baer, wanderte von Nordhemmern ins Ruhrgebiet aus. Es bestehen bis heute enge Verbindungen zu Verwandten in Nordhemmern und Hartum (Kreis Minden/Lübbecke). In der Verwandtschaft befand sich auch ein angeheirateter Willi Bredemeier (nicht mit dem gleichnamigen Ehemann identisch). Der Vater kehrte als Soldat im Zweiten Weltkrieg in einem „ewigen“ Fußmarsch von Griechenland nach Hause zurück und wurde Holzmeister auf der Zeche Engelsburg in Bochum. Gegen allgemeinen Rat sorgte er dafür, dass Gerda und ihre Schwester auf das Wattenscheider Mädchengymnasium kamen, ein Schritt, der damals überhaupt nicht üblich war. Verwandte hatten ihm seinerzeit empfohlen: „Bau ihnen lieber ein Haus. Dann haben sie wenigstens was Ordentliches.“

Gerda war eine der ersten Studentinnen an der gerade gegründeten Ruhr-Universität Bochum. Sie studierte Mathematik und evangelische Religion und unterrichtete diese Fächer später an Realschulen in Lahr (Schwarzwald), Münster-Wolbeck und dann mehrere Jahrzehnte in Bochum-Wiemelhausen. Die engagierte Lehrerin kümmerte sich nachmittags um Kinder des Hauses Barre, eines Waisenhauses alten Stils, das später geschlossen wurde. Sie nahm auch schon mal Schüler, die in Schwierigkeiten geraten waren, nach Hause mit und war auch außerhalb der Schulstunden für sie da, und sie gestaltete gemeinsam mit Schülern ökumenische Gottesdienste. Mit den Jahrzehnten wurde das Lehren in der Schule schwieriger für sie, weil die Regulierungen durch Politik und Regierungsbehörden zunahmen und weil in ihren Klassen eine Vielzahl von Sprachen gesprochen wurde. Die Idee zu einer Lesung vor der Bredemeier-Sippe, aus der später ein gemeinsames Buchprojekt wurde, stammt von ihr.

Willi Bredemeier: Die Eltern wanderten aus Nordel und Bohnhorst (beides Kreis Nienburg) ins Ruhrgebiet aus, wo der Vater als Hauer auf der Zeche Siebenplaneten (Bochum-Langendreer) arbeitete. Es bestehen bis heute enge Verbindungen zu Verwandten in Bohnhorst. Als die Mutter 1943 starb, wurde Willi als Dreijähriger von seiner Tante in Steinbrink aufgenommen, wo er inmitten vieler Meier und Bredemeier aufwuchs. Als er 1953 ins Ruhrgebiet zurückkehrte, wurde Hochdeutsch zu seiner ersten Fremdsprache. Nach einer Laufbahn als Versicherungskaufmann holte er das Abitur am Dortmunder Abendgymnasium nach und studierte Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. 1983 machte er sich selbstständig und gibt mittlerweile im 32. Jahr „Password“, eine Fachzeitschrift zu Internet-Fragen, heraus. Nach etlichen Sachbüchern gewann er einen Kurzgeschichtenwettbewerb in Zürich und veröffentlichte 2014 seinen ersten Roman zu 70 Jahren Strukturwandel auf dem Lande und im Ruhrgebiet.


Gerda und Willi Bredemeier. Die Beiden haben zwei Kinder und drei Enkelkinder. Derzeit gehören etwa dreißig Prozent ihrer freien Zeit den Enkelkindern. Gerda hat die Textproduktionen ihres Mannes gegengelesen und begleitet und ist seine größte und konstruktivste Kritikerin. Mit den Jahren wurde diese Zusammenarbeit intensiver, so dass das Ehepaar bei Lesungen zusammen auftritt und die überarbeitete und erweiterte zweite Auflage von Willi Bredemeiers erstem Roman (wahrscheinlicher neuer Titel: „Dieter Bredemeier. Die Suche. 1943 – 2018“) in gemeinsamer Autorenschaft erscheint. Auch das nächste belletristische Buch, für das derzeit Interviews mit Zeitzeugen geführt werden (derzeitiger Titel: „Die Bredemeiers. 1460 – 2037“), wollen beide gemeinsam als Autoren zeichnen.

 

In ihrer Arbeit am neuen Buch mussten sich die Beiden immer wieder auch mit dem „Heimat“-Begriff auseinandersetzen. Gerda und Willi Bredemeier sind sich keineswegs immer einig, aber insoweit schon: „Heimat kann für jeden an mehreren Orten sein.“ Und: „Heimat ist das, was man verloren hat und nur teilweise wiederfindet.“

 

 

Aus der Schaumburger Zeitung, 20. November 2019

 

 

 

Ein Buch über die Bredemeiers soll entstehen

 

Die Familienforscher

 

Von Frank Westermann

 

Ist im Auetal der Stammsitz der Bredemeiers? Willi und Gerda Bredemeier haben schon einige Forschungen dazu angestellt.

 

 

 

 

 

Willi und Gerda Bredemeier haben drei Gründe für ihr Hobby, Es hält fit, es macht anderen Freude, es ist hochinteressant. Jetzt schreiben beide ein Buch: „Die Bredemeiers“.

 

AUETAL/NIENBURG. Der Weg in die Ahnenforschung begann für Willi Bredemeier vor acht Jahren mit einem literarischen Wettbewerb, ausgeschrieben für Kurzgeschichten. Der im Kreis Nienburg Aufgewachsene war damals gerade 70 geworden, nach 30 Jahren Selbstständigkeit; ein paar Sachbücher hatte er verfasst, eine Fachzeitschrift für Internetfragen gibt er noch heute heraus, viermal die Woche, per E-Mail. Eine Kurzgeschichte also, dachte sich Bredemeier: „Ein Klacks“, schließlich hatte er irgendwann in seinem vielfältigen Berufsleben auch einmal für eine durchaus renommierte westdeutsche Tageszeitung gearbeitet.

 

„Nun“, sagt seine Frau Gerda, „den Klacks hat er dann 30 bis 40-mal umgeschrieben.“ Immerhin: Bredemeier war unter den acht Gewinnern des Wettbewerbes, das machte Mut, und so legte er nach der Kurzgeschichte die literarische Messlatte ein kleines bisschen höher: Ein Roman sollte es nun werden.

 

Und so geschah es auch. Bredemeier schrieb wie viele literarische Debütanten über das, was er am besten kannte: sein Leben. Aufgewachsen auf dem Dorfe, Volksschule zu einer Zeit, in der die Herkunft das berufliche Schicksal entschied, aber dann doch: Leistung, Abendgymnasium, Studium, und das alles gegen den Wunsch der Familie, selbst der aus Hamburg herbeigerufene Onkel („Junge, nun leg doch mal die Bücher weg“) konnte den Bub nicht umstimmen: Bredemeier erhielt Zugang zur Bildung. 2010 erschien das Buch, und es gab eine gut gemeinte Empfehlung der befreundeten Verlegerin: „Nun sorg mal für Absatz.“

 

Also tingelte Bredemeier über die Lande und lud zu Lesungen. Die Resonanz war, nun ja, überschaubar, und so geht es ja allen Literaten, die sich noch keinen Namen gemacht haben: Eine Handvoll Besucher kommen, wenn es gut läuft, und man kann als Vorleser nur noch die schöne intime Atmosphäre loben, dabei will jeder Schriftsteller keine überschaubare Zuhörermenge, sondern das volle Stadion, aber hallo.

 

In Petershagen stand eine weitere Lesung an, im Schloss, und Ehefrau Gerda hatte eine Idee: „Wie wäre es, wenn wir per E-Mail alle einladen würden, die Bredemeier heißen?“ Nun ja, fast alle, die in München und Stuttgart könne man mit Blick auf die Anreise wohl vernachlässigen. Über Google fand Gerda Bredemeier über 300 Bredemeiers – und lud sie ein. Um es kurz zu machen: 38 Zuhörer kamen, die auf den Nachnamen Bredemeier hörten. Und sie hatten sich nach der Lesung viel zu erzählen. An diesem Abend entstand auch die Idee zu einem gemeinsamen Treffen aller Bredemeiers, zu dem 2018 in Uchte fast 80 Namensträger kamen.

 

Um den Namen Bredemeier einst zu erhalten und tragen zu dürfen, erklärt Gerda Bredemeier, mussten zwei Dinge zusammenkommen: Man musste eine Vollmeierei betreiben, man musste also in der dörflichen Hierarchie an erster Stelle stehen und zu den größten Bauern im Dorf gehören, und der Hof musste an einer Brede liegen, also an Ackerstücken, die besonders breit sind. Willi und Gerda Bredemeier bauten auf die bereits bestehende Familienforschung zu den Bredemeiers insbesondere im Auetal auf, erforschten weiter die Geschichte der Bredemeiers in den Landkreisen Nienburg und Schaumburg, sie führten Interviews und befragten ihre Namensvettern, und zuweilen spiegelte sich in der Familiengeschichte das gesamte Jahrhundert. Etwa bei den Bredemeiers, die vor dem Ersten Weltkrieg vom Ruhrgebiet nach Polen auswanderten und wieder vertrieben wurden, weil sie nicht die polnische Staatsangehörigkeit annehmen wollten. Nach dem Weltkrieg siedelten sie erneut nach Polen um, nur um nach dem Zusammenbruch der Nazidiktatur erneut flüchten zu müssen – „zweimal in einer Generation“, sagt Gerda Bredemeier, und das dabei ertragene Leid muss unvorstellbar groß gewesen sein.

 

Eine zentrale Frage, die sich das Forscherehepaar stellt, ist, ob es gemeinsame Wurzeln aller Bredemeiers gibt. Das Auetal würde sich durchaus anbieten, allein schon, weil die Geschichte des Breinhofs, auf dem Bredemeiers seit fast sechs Jahrhunderten in Rolfshagen leben, gut erforscht ist, sie reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück. Gut vorstellbar, dass die Auetaler und Nienburger Bredemeiers gemeinsame Wurzeln hatten und über Friedewalde war es auch nicht mehr allzu weit bis nach Minden. „Sie alle könnten aus einer Region gekommen sein.“ Ein weiterer Zweig der Bredemeiers wanderte Anfang des letzten Jahrhunderts aus dem hungernden und Not leidenden Europa in die USA aus.

 

Am Ende der Recherchen soll ein weiteres Buch stehen, diesmal von Willi und Gerda Bredemeier, durchaus belletristisch, aber auf einer gesicherten Grundlage aus Fakten. Arbeitstitel: „Die Bredemeiers“. Für 2019 ist ein weiteres Treffen der Bredemeiers geplant, die Amerikaner werden eingeladen.

 

Die Namens- und Geschichtsforschung, sagt Willi Bredemeier, hat drei Vorteile: Sie ist hochinteressant, sie macht anderen eine Freude und sie hält beide fit. Man darf sich die Arbeit wie eine Wundertüte vorstellen: Man weiß nie, was drin ist. Zwei Beispiele: Zu einem Bredemeier in Stuttgart haben sie Kontakt aufgenommen, und siehe da, er hatte denselben Groß- beziehungsweise Urgroßvater wie Willi Bredemeier.

 

In der Literatur wurden sie auch fündig. In seinem Weltbestseller „Im Westen nichts Neues“ lässt Autor Erich Maria Remarque einen Bredemeier auftreten, und siehe da: Die reale Vorlage stammt aus Warmsen bei Uchte, sagen Willi und Gerda Bredemeier

 


Sippe Auetal

Fritz Bredemeier (Burgdorf) erzählt aus seinem Leben:

 

Bredemeier - mein Name

 

Ach, Sie auch? Kannst am Enne noch Platt körn? - nee - vielleicht besser englisch - ja, das ist der Lauf der Zeit. Es gab ja auch Zeiten, da wurde hier französisch gesprochen. Das hier war französisches Land, war jedenfalls von Franzosen besetzt.

 

Wie, das ist ja schon so lange her, das weiß heute niemand mehr - wohl wahr.

 

Und trotzdem hat Napoleon noch Anteil an meiner Familiengeschichte.

 

In den Jahren 1870/71 wurde nach Kämpfen gegen Napoleon in Versailles das Deutsche Kaiserreich gegründet.

 

Wie das so ist; der Krieg war zu Ende und im nächsten Jahr wurde mein Vater geboren. Er hatte zwei Brüder. Der eine hatte in Osnabrück eine Tischlerei, der andere war Schrankenwärter. Gesehen habe ich niemanden aus der Verwandtschaft. Es war wieder Krieg, Vater war pensioniert, wir wohnten auf dem Lande - ich war noch Schulkind.

 

Erst ab einem bestimmten Alter beginnt man sich für Familiengeschichten zu interessieren - aber da waren die meisten Informanten bereits gestorben. Als ich auf die Welt kam, war Vater schon 58 Jahre lang da. Als ich dann so alt war, dass ich mich für Familiengeschichte interessierte, waren die Informanten nicht mehr zu sprechen - ich musste mir die Brocken zusammenreimen. Es kann für meinen Vater nicht einfach gewesen sein - ich wollte es dann auch nicht mehr wissen.

 

Wenn ich jetzt - unter Bredemeiers - den Werdegang meines Vaters nachzeichnen will, kann ich mich nur an Gespräche erinnern, welche länger als siebzig Jahre zurück liegen.

 

Vater hatte zwei Brüder. Ob es noch eine Schwester gab? Das ist zu vermuten - mehr nicht.

 

Es gab Spannungen. Vater soll als Kind das elterliche Haus in Brand gesteckt haben. Sein Vater (Opa) hat ihn schrecklich vermöbelt und ihn nie wiedersehen wollen. Aufgewachsen ist er in Lembruch (Dümmer) bei den Eltern seiner Mutter. Er war viel allein - die Gründe kenne ich nicht. Auf dem Hof von Göttker ist er viel gewesen. Nach der Schulzeit war er Knecht auf dem Gut Hemtewede (August Klatte). Die Tochter soll gesagt haben: “Ji könt alle gahn, ober Fritz, denn lot hier.“

 

Aber Fritz ging nach Bremen zum „Rieken Sander“. Was er dort gemacht hat und was der Sander für´n Geschäft hatte, weiß ich nicht. Der Sander soll gesagt haben: „Fritz, wenn Du bi mi blifst, gef ick Di ok dat Stück Land in Grolland“. Fritz ging nach Bremerhaven. Zunächst als Schauermann, dann zur Bahn. Als Vorarbeiter ging er dann in Rente. Er hatte eine umfangreiche Korrespondenz.

 

Nach seinem Tod zogen Mutter und ich um. Das viele Papier, die vielen Fotoplatten, selbst das Grammophon habe ich auf die Kippe gebracht. - kein Platz mehr dafür.

 

Am Hafen hatte mein Vater Kollegen und die hatten auch Schwestern. Nur so kann ich mir erklären, dass er auf dem Bahnhof Stubben auf dem Bahnsteig Blumenbeete angelegt hat. Aus Bremen kamen die Leute, um sich das anzusehen.

 

Er war belesen, war Hobbygärtner - füllte den Saal der Stadthalle mit einer Blumenschau. Als Bahnangestellter mit Freifahrtschein war er viel gereist. Blumen, Pflanzen, Botanik waren sein Leben.

 

Geschichte ist was Eigenartiges - Opa hat noch gegen Napoleon gekämpft.

 

Mein Vater und ich sind vom Militär verschont geblieben.

 

So, nun komm ich. Wir wohnten in Bremerhaven zur Untermiete. Und wieder gibt es was Besonderes. Das Haus, in dem wir zur Untermiete gewohnt haben, ist als einziges im Krieg stehen geblieben (Bremerhaven am Deich). Und in Bremerhaven habe ich 1937 das erste Mal eine Schule von innen gesehen. Die Lehrerin war wie eine Mutter. Einmal hatten wir Schwimmen in der Weser. Wasser kannte ich nur vom Waschen - aber da rein gehen ? Aber die Anderen gingen ja auch - und so kam es, dass eine kleine Welle dafür sorgte, dass ich keinen Grund mehr unter den Füßen hatte und mit dem Gesicht unter Wasser geriet. Wie, das weiß ich nicht, bin ich da wieder rausgekommen und nie wieder freiwillig ins Wasser gegangen.

 

Dann zogen wir um - nach Bederkesa. Geschwister habe ich nicht. Wir wohnten ziemlich außerhalb - und die Osterferien waren so lang und das Wetter so kalt - und ich so allein.

 

Nach einem weiteren Umzug nach Schiffdorf bei Bremerhaven (Geestemünde) - andere Schule, andere Schüler - gab es plötzlich auch Mädchen und Fliegeralarm - und das Geräusch von tausend Flugzeugen auf dem Weg nach Berlin. Flakfeuer und Angst.

 

Am 1. April 1945 sollte ich bei der Reichsbahn als Lehrling anfangen, aber der Meister wollte mich nicht mehr haben. Es hatte keine Werkstatt mehr und auch keine Lokomotiven.

 

Ersatzweise fand ich einen Elektromeister im Fischereihafen, der mich gleich am zweiten Tag zu der Werft auf einen Dampfer schickte, um dort etwas abzubauen. Habe ich auch - war aber das Falsche. Ich hatte ein kriegswichtiges Teil der Bewaffnung abgebaut, also Sabotage begangen. Wegen sowas konnte man erschossen werden. Ich hatte Mühe, das Teil unauffällig zu entsorgen.

 

Es war immer noch Krieg. Der wurde von einem schottischen Regiment beendet. In unserer Stube wohnten zwei Soldaten, aber schon nach zwei Tagen hatten unsere Frauen etwas zu sehen - Männer in Röcken! Da hätten sie gerne mal drunter geschaut!

 

Dann kamen die Amerikaner. Die fuhren mit einem Panzer den Bullen tot, der gerade auf der Straße lief. Aus dem Haus an der Ecke wurden die Bewohner entfernt, ein Loch durch die Mauer gebrochen und ein Maschinengewehr in Stellung gebracht. Bewaffnete Trupps gingen von Haus zu Haus und durch alle Räume. Die Angst vor den eigenen Leuten war jetzt mit der Angst vor fremden Leuten vertauscht. Auch die Kriegsgefangenen waren keine Gefangenen mehr und kühlten ihr Mütchen an ihren bisherigen Peinigern.

 

Es gab Identitycards, aber man konnte sich frei bewegen. An jeder Ecke standen Soldaten mit weißem Helm, man mußte die Identitycard vorzeigen und wurde nach Dingen befragt, die draufstanden. Wie heißen Sie? „Bredemeier.“ Geburtstag? „Achtzehnten Dezember.“ Welches Jahr? „Neunzehnhundertdreißig - aber das steht doch alles da drauf!“

 

Wir Männer wurden dienstverpflichtet, bekamen eine Schaufel und mussten für den internen Gebrauch der Amerikaner Gräben für Wasserleitungen schaufeln. In den Schrebergärten auf dem Blink schoben Planierraupen große Berge zusammen. Wir standen da und sahen zu, wie die Karotten und anderes Gemüse wieder runter kullerten. Fäuste in den Taschen. Was in den Kantinen der Amerikaner übrig blieb, das wurde verbrannt. Lebensmittel verbrennen - und hungrig zusehen müssen - auch das ist eine Seite der Medaille.

 

Aber viel wichtiger war, dass die Amerikaner uns verpflegt haben, wenn wir für sie arbeiteten.

 

In Weddewarden wurde aus den Gebäuden des Flugplatzes ein Truppenauffanglager gemacht. Wenn die Truppentransporter im Hafen 5000 Mann an Land setzten, mussten die irgendwo schlafen und essen können. Dort war zwar Militär, aber die Kriegsgefangenen, die nicht nach Hause konnten oder wollten, wurden als Gleichberechtigte angesehen. Sie übernahmen sogar Führungsaufgaben - Köche und so. Dort herrschte the American Life!

 

Berufschule gab es auch bald wieder. Das Papier, das wir brauchten, hatte der Lehrer aus der verlassenen Marineschule besorgt. Es musste eben alles besorgt werden.

 

Schüler bekamen Schulspeisung - das war meistens eine Milchsuppe - die war köstlich! Berufsschüler sind auch Schüler. In unserer Klasse saßen zwischen uns 15 – 16-Jährigen auch Ältere, die vom Krieg übriggeblieben waren.

 

In den drei Jahren Lehrzeit hatte ich für die Amerikaner Gräben geschachtet und Truppenunterkünfte sowie für meinen Lehrmeister ein Haus gebaut. Die Gesellenprüfung dann auch bestanden. Wir waren mit drei Lehrlingen gleichzeitig Geselle geworden. Für so viele Gesellen hatte der Meister keine Arbeit. Ich wurde arbeitslos. Dreimal die Woche musste man dann in die Kneipe gehen, bekam auf der Stempelkarte einen Stempel und am nächsten Tisch etwas Geld.

 

Lebensmittel waren rationiert. Tabak und Zigaretten auch. Was nicht rationiert war, waren Blättchen zum Zigaretten drehen. Das konnten wir Jungs ganz gut. Als Tabak hatten wir die Fusseln oben von den Maiskolben und als Zigarren dienten die Rohrkolben des Schilfs.

 

Gedampft musste werden. Dabei hat uns der Franzose erwischt, der als Gefangener in der Gärtnerei nebenan war. Der hatte ja auch keinen Tabak. Er hat unseren probiert und ist davon krank geworden. Aber der Dussel hatte das Kraut auf Lunge geraucht. Was konnten wir dafür.

 

Kriegsgerät lag überall herum. Die Amerikaner wollten darauf nicht aufpassen, solange damit nicht geschossen werden konnte. Wir hatten jede Menge Gewehrmunition und die großen Jungs wussten, wo viel Pulver lag. Das sah aus wie Salmiakpastillen, nur ein bisschen kleiner. Damit konnte man so Straßen legen. Wenn man das an einer Seite ansteckte, lief das Feuer daran längs. Gefundene Brandbomben haben die großen Jungs abgebrannt, wir Kleineren standen am dichtesten dran. Der Umgang mit Sprengstoff ist mir später beruflich erhalten geblieben.

 

Radios konnte man selber bauen. Röhren gab es reichlich (RV12P2000). Die Währung waren Zigaretten. Eine Aktive kostete fünf Mark. Chesterfield und so wurden besorgt.

 

Es gab einen älteren Herrn, der meinen Vater öfter besuchte. Der war bei einem Heimatbesuch vom Krieg überrascht worden und hier gestrandet. Die beiden alten Herrn kannten sich aus früheren Zeiten. Otto Ratjen war dann nach Amerika ausgewandert und hatte in Menlo Park eine Kneipe gehabt. Thomas Alpha Edison war dort öfter zu Gast gewesen. Otto hatte Zugang zu Amerikanern und die nötigen Zigaretten, und ich hatte den Auftrag, ihm ein Radio zu bauen.

 

Auch sonst waren Fachleute gefragt – ich jedoch war nur interessierter Laie von 18 Jahren, der längere Zeit im Luftschutzbunker gesessen hatte.

 

 

Eines Tages stand ein Herr vor unserer Tür und fragte, ob ich so gut sein wolle, ihn in seinem Büro aufzusuchen. Er suche Hilfskräfte. Ich war so gut, was dazu führte, dass ich vierzig Jahre lang bei der Firma Arbeit und Brot fand.

 

Das wäre ein längeres Kapitel - nur so viel: die Firma PRAKLA machte seismische Messungen mit dem Ziel, ölhaltige Erdformationen zu finden. Das Verfahren hieß Sprengseismik. Ich nehme an, dass ich mehr Sprengstoff abgetan habe als jeder berufliche Sprengmeister.

 

Irgendwann war mir das zu langweilig, ich wollte studieren oder so. Als ich kündigen wollte, meinte unser technischer Direktor: “Wenn Sie sich verändern wollen, das können Sie auch bei uns.“

 

Dreißig Jahre später war ich Herr über 1000 Funkgeräte, zu Lande, zu Wasser - jedoch nicht in der Luft. Ich bin in allen Ländern gewesen, zu denen Deutschland Grenzen hat. Ich war in Libyen, in Ägypten und im Kongo. Ich war mit dem Auto nachts allein in der Wüste - und in den teuersten Hotels als Gast des Auftraggebers. Und meistens auf einem Gebiet tätig, auf dem ich nicht zuhause war.

 

Kennen Sie sich mit den Ausbreitungsbedingungen von Kurzwelle aus? Ich auch nicht. Zollformalitäten, Nämlichkeitsscheine und Ausfuhrbestimmungen? Autoreparaturen und Stromaggregate? Reichweite von Ultrakurzwelle? Frequenzen, Funkämter, Militärischer Abschirmdienst. Immer auf fremden Grundstücken, Sondergenehmigungen und Schlüssel von gesperrten Gebieten. Funkaufklärung - immer mit einem Bein im Knast und immer fremd. Oben auf dem Dach eines Aussichtsturms am Rande des Schwarzwaldes mit Blick ins Rheintal - bis zu den Vogesen - oder am tiefsten Bohrloch Europas wenn nicht der Welt. Wir haben versucht, die Unterkante der festen Erdkruste zu messen und waren Teil eines internationalen Forschungsprogramms.

 

Die ersten Computer. Der Commodore C64 war ein tolles Gerät, wenn man es bedienen konnte. Wann lernt man das mal eben so nebenbei? Na, BASIC werden Sie doch programmieren können. Nicht? Ist ganz einfach. Man braucht dazu ein Gerät und Zeit. Wenn beides fehlt, ist der Umgang mit Computer etwas zäh! Zumal wenn man die Fünfzig bereits überschritten hat

 

Und Familie haben Sie auch? Was, auch vier Kinder? Wie geht das denn? Arbeit in Hannover - Familie in Bremerhaven?

 

Das geht so: Von dem ersten Geld, dass ich verdiente, habe ich ein Auto gekauft. Fiat 600.

 

Dann sollte das Haus verkauft werden - Haus und Grundstück neben dem Elternhaus meiner Mutter.

 

Mütter haben einen starken Einfluss auf ihre Söhne. Auch Freunde und Bekannte wollten helfen. Ich hatte Arbeit und verdiente Geld. Zu einer Familie gehört ja auch ein Haus. Ich konnte nicht ewig wandernder Junggeselle bleiben. Das Haus war nicht so teuer, aber es würde ständig teurer werden.

 

Also ich wurde mit 24 Jahren Besitzer von Haus und Hof. Das Haus war strohgedeckt und renovierungsbedürftig - der Zuschnitt: Bauernhaus mit Diele, Viehställe und die Küche mit offener Herdstelle. Ein Umbau war unumgänglich. Nach Konsultation von Sachverständigen war ein Abriss unumgänglich.

 

Das Strohdach wurde mit Hilfe von Verwandtschaft, Freunden und Nachbarn entfernt. Man glaubt es nicht, wie das staubt. Den Dachstuhl und den Schornstein habe ich dann selbst abgeräumt. Abbauen genügt nicht, das Material muss einen anderen Platz bekommen, so dass es einem Neubau nicht im Wege liegt. Die eine Wand von vielleicht sechs Metern konnte ich mit der Hand umstoßen. Auch das Fundament musste raus. Steine, die man wiederverwenden kann, abputzen und stapeln, die anderen auf einen Haufen karren. Das musste einer machen, nämlich ich.

 

Hannover - Freitag nach Feierabend -> Auto - nächsten Morgen um sieben auf die Baustelle, solange bis es dunkel wird - Montag früh um fünf -> Auto nach Hannover.

 

Aus dem vielen Holz habe ich über Pfingsten einen Schuppen gebaut, damit man auf der Baustelle mal was abstellen kann - Schubkarre etc.

 

Dann wurde ich Bauherr. Zwangsläufig. Aber das nicht alleine. Auf einer unserer Einsatzstellen hatte ich ein Mädchen kennen gelernt. Dort musste ich ja auch mal hin. Ich war eigentlich überall, aber nirgends lange genug. Es ging mir schlecht, beruflich, privat und auf der Baustelle.

 

Aber irgendwann war das Haus fertig - die Hochzeit stand an. Wir wurden von der Dorfjugend gebührend empfangen und aufgenommen. Ich war ja auch in den Ferien öfter bei meiner Tante gewesen und kein Unbekannter.

 

Montag um fünf -> Auto nach Hannover - Freitag um fünf -> Auto nach Sievern. Die Autobahn gab es nicht und die B6 war größtenteils Baustelle.

 

Dieser Zustand war nicht haltbar. In Burgdorf wurde gebaut. Das war so zwanzig Kilometer von der Arbeit entfernt. Es fuhr auch ein Zug. Umzug nach Burgdorf. Der gesamte Umzug passte in mein Auto. Allerdings war jetzt eine Person mehr. Jetzt gab es auch eine Tochter. Die Kindergeschichten lass ich mal weg. Wir hatten noch zwei weitere Kinder und mit Wolfgang, den meine Frau mitgebracht hatte, waren wir sechs.

 

Innerhalb von Burgdorf sind wir dreimal umgezogen.

 

Man gerät in so einer Kleinstadt zwangsläufig zur Politik, wenn es auch nur der Schulelternrat ist.

 

Ich war ja nicht Soldat geworden - für Adolf war ich zu jung und für Konrad zu alt. Aber wenn wir zusammenleben, müssen wir auch was dafür tun. So fing ich beim Technischen Hilfswerk an.

 

Etwa 15 Jahre Dienstzeit, davon zehn Jahre Gruppenführer und Funksprecher. Ich habe Orte gesehen, die anderen verwehrt sind. Ich habe Lehrgänge besucht, bei denen ich froh bin, die Kenntnisse nicht anwenden zu müssen. Aber dümmer bin ich deswegen nicht geworden.

 

Jetzt bin ich von meiner Frau geschieden, habe ein eigenes Haus, Kinder aus denen was geworden ist - und eine Partnerin, mit der ich mich verstehe.

 

Es gibt hier im Ort den Verkehrs- und Verschönerungsverein, kurz VVV. Dieses Jahr war 70-jähriges Bestehen. Der Verein sorgt für etwa hundert Veranstaltungen im Jahr. Es gibt etwa dreißig Sparten von zwei Museen über Motorradclub und Reisen (Ü50 - Alter über 50) bis Pferdemarkt (Einzugsgebiet hundert Kilometer) und Oktobermarkt, wo die Stadt drei Tage lang dicht ist.

 

Ob es Kunstmarkt ist oder was es auch sei, alle wollen elektrische Geräte und Licht betreiben. Dafür zu sorgen, war über Jahrzehnte mein Job. Es gibt etwa einen Kilometer Kabel aller Kaliber und so gegen fünfzig Steckdosen. Auch der Weihnachtsmarkt lebt davon. Alles freiwillig und ehrenamtlich.

 

In Hamburg wohnten die Reimers, zwei Journalisten, die Fahrradtouren machten und darüber in Bild und Ton berichteten. Sie waren auch mal hier am Ort. Seitdem gibt es hier eine Ortsgruppe des ADFC, des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Da habe ich auch einige Jahre lang Fahrradtouren organisiert. Man gönnt sich ja sonst nichts.

Als Pionier in der Frühzeit des Computers dabei: Fritz Bredemeier vor dem Commodore.

Weit in der Welt herumgekommen: Fritz Bredemeier vor den Pyramien.

Fritz Bredemeier und seine Eltern in Bremerhaven.

In Arbeit

Sippe Warmsen

 

Die Giebelinschriften der Bredemeiers
in Schamerloh (I)

 

Innige Frömmigkeit, finstere Skepsis
und Vertrauen in das eigene Tun

 

Haus Nummer 87: So viele Inschriften
wie nirgendwo sonst

 

(W.B.) Die Sippe der Bredemeiers in Schamerloh hat zwischen 1801 und 1934 später eine große Zahl an Giebelinschriften hinterlassen, sei es, dass ein Besitzer namens Bredemeier die Inhalte der Inschrift festlegte, sei es, dass diese vom Meister Ferdinand Bredemeier handwerklich umgesetzt wurden. Dazu gehört auch das Haus Nummer 9 (Bussen), das Stammhaus der Bredemeier-Sippe im Umfeld von Warmsen, das bis ins 15. Jahrhundert dokumentarisch zurückverfolgt werden kann. Heute wird der Bussen-Hof von Ernst und Luise Bredemeier bewohnt, die beide an dem großen Treffen der Bredemeier-Sippe in Uchte teilnahmen. Eine Sonderstellung nimmt das Haus Nummer 87 in Schamerloh ein. So viele Giebelinschriften wie dort gibt es soweit bekannt nirgendwo sonst. Im Haus Nummer 87 wohnen Manfred und sein Sohn Tim Bredemeier, die gleichfalls bei dem Sippentreffen der Bredemeiers dabei waren.

 

Wer diese Giebelinschriften veranlasste, dem war wohl bewusst, dass sie für viele Jahrzehnte bestehen bleiben würden. Sie dienten damit nicht nur der Verschönerung der Häuser, sie zeigten der Nachbarschaft, der Gemeinde und dem weiteren Umfeld auch an, wofür der Besitzer und seine Familie standen und wie ihre Sicht auf das Leben beschaffen war.

 

Die Schamerloher Inschriften zeigen geradezu extrem unterschiedliche Sichtweisen. Sie reichen von inniger Frömmigkeit und Zuversicht in den christlichen Glauben („An Gottes Segen ist alles gelegen“ , Haus Nummer 45) über das Bewusstsein, dass man nur ein Gast auf Erden ist (ebenda) bis zu einer finsteren Skepsis im Glauben, dass alles vergeblich sei, verbunden mit schon asozialen Empfehlungen („Alles, was du hörst, glaube nicht / Alles, was du weißt, sage nicht“, Haus Nummer 87). Aber auch das Vertrauen in das eigene Tun findet sich („Alles liegt in deinem Willen, alles liegt in deiner Tat“, ebenda), das Verlassen auf die eigene Arbeitsamkeit verbunden mit der Verdammung der Faulheit (ebenda) und das Bekenntnis zur Tradition und zur heimischen Handwerkskunst.

 

Wir entnehmen die Giebelinschriften dem Buch „Dokumentierte Balkeninschriften in Fachwerkhäusern in Schamerloh und Umgebung, 1998 – Herausgeber:  Glockengemeinschaft Schule Schamlerloh e.V.“

 

 

 

Haus Nummer 1

 

Wohl einem Haus da Jesus Christ,
allen das all in allem ist.
Ja, wenn er nicht darinnen wär, wie elend wärs, wie arm und leer.

 

Erbaut durch Ferdinand Hormann und Karoline Hormann geborene Mues im Jahre 1899

 

Meister Ferdinand Bredemeier

 

Haus Nummer 9 (Bussen)

 

Dies Haus ist mein und doch nicht mein.
Der vor mir war dacht auch es wär sein.
Der ging hinaus und ich hinein.
Nach meinen Tod wird’s auch so sein.

 

O Vater der Barmherzigkeit
verleih uns Deinen Segen,

 

Lass Deine Güt und Freundlichkeit
sich auf uns alle legen.

 

Bewahr dies Haus für Sturm und Brand.
Erfülle es aus Deiner Hand
mit Deinen reichen Segen.

 

*

 

Was man sich wünscht, was man erhofft,
das alles überschätzt man oft,
Besitzt man das, was man begehrt,
Mißachtet oft man seinen Wert.
Doch ist´s verloren, dann zuletzt
wird alles wieder überschätzt.

 

*

 

Gesegne Gott, das ganze Haus,
samt denen, die gehn ein und aus.
Schütz es durch Deiner Engel wach,
Dein Kreuz Herr Jesu sey das Dach.
Lass alles was darin Geschicht
zu Deinen Ehren sein Gericht
und gib uns Deinen Segen.

 

Johann Hinrich Bredemeier und Catarine Ilse Mörings-con Bredemeier
Anno 1801

 

Joann Diedrich Bredemeier

 

Wilhelmine Sophia Dorothea Rodenberg
1829

 

Umgebaut durch Ferdinand Bredemeier und Sophie geborene Bredemeier
1934

 


Haus Nummer 45

 

Indem das alte morsch geworden
hilfst Du Herr dieses uns erbaun,
so wirst du nach Bekümmernissen
uns stets mit Lieb und Huld erfreun.

 

So segne uns in dieser Zeit
und einstens in der Ewigkeit.

 

Erbaut von Karl Hassfeld und Sophie geb. Siemann
Anno 1886

 

Meister Ferdinand Bredemeier

 


Haus Nummer 48

 

Wer Gott vertraut hat wohl gebaut
im Himmel und auf Erden.
Wer sich verlässt auf Jesu Christ,
dann muss der Himmel werden.

 

Johann Friedrich (H. König) und Ilsa Maria Könemann
Anno 1809 den 2ten Juni

 

 

 

An Gottes Segen ist alles gelegen.

 

Erbaut durch Wilhelm Dröge im Jahre 1888
Meister F. Bredemeier

 

*

 

Bete und arbeite.
An Gottes Segen ist alles gelegen.
Der Segen des Herrn sei mit uns.

 

Erbaut durch August Dröge und Wilhelmine geb. Becker
im Jahre 1934

 

*

 

Solange noch die Eichen wachsen
in alter Kraft um Haus und Hof,
solange stirbt in Niedersachsen
die alte Stammesart nicht aus.

 

 

 

Meister F. Bredemeier

 

Lest in der nächsten abschließenden Folge: Das Haus Nummer 87 in Schamerloh.

 


 

Die Giebelinschriften der Bredemeiers
in Schamerloh (II)

 

43 Inschriften am „Wübken-Haus“

 

„Schwere des Lebens“ ein wichtiges Thema,
aber stärkeres Vertrauen in die eigene Arbeit
und die eigene Tatkraft

 

Kein Haus trägt so viele Giebelinschriften wie das Haus Nummer 87 (Wübken) in Sapelloh. Wir haben 43 gezählt, wobei es manchmal schwierig war, festzustellen, wann eine Giebelinschrift aufhört und wann eine neue beginnt. In Einzelfällen wurde die Jahreszahl der Inschrift angegeben; dann stammte sie immer aus dem 20. Jahrhundert. Das Buch „Giebelinschriften“, das 1998 von der Glockengemeinschaft Schule Schamerloh e.V. herausgegeben wurde, vermerkt dazu: „Zwei Generationen Zimmermeister in Sapelloh“. Soweit Namen auf den Giebelinschriften auftauchen, sind das mehrheitlich „Bredemeier“. Derzeit wird das Haus von Manfred Bredemeier und seinem Sohn Tim bewohnt, die bei dem Sippentreffen der Bredemeiers im September in Uchte dabei waren.

 

Bei den Inschriften des Hauses Nummer 87 griffen die Urheber unter anderem auf  eigene Texte, den Volksmund, die Bibel und die deutsche Klassik (Goethe und Schiller) zurück. Die Inschriften sind eine kulturgeschichtliche Fundgrube und weisen sehr weitgehende Unterschiede auf, was im Leben wichtig zu nehmen ist. Dies wird deutlich, wenn man die Inschriften thematisch zu gliedern sucht:

 

·         Gottvertrauen, Bitten an Gott (5)

 

·         Lob der Tradition und der Handwerkskunst (4)

 

·         Lob der Arbeit und des Fleißes – Verdammung der Faulheit (11)

 

·         Vertrauen in die eigene Tatkraft – Blick auf Helden – Zuversicht und Zukunftsorientierung (6)

 

·         Betonung der eigenen Unabhängigkeit (3)

 

·         Aufruf zur Bescheidenheit - Wie man glücklich wird – Humor (5)

 

·         Schwere des Lebens, grundlegende Skepsis, Unglück, Vergeblichkeit, Entsagung und Tod (9)

 

Die Giebelinschriften des Hauses Nummer 87 werden im Folgenden nach den obigen Themenbereichen wiedergegeben. Dabei war es hinzunehmen, dass es bei einzelnen Inschriften thematische Überlappungen gab, so dass Entscheidungen zu treffen waren, was wohl die wichtigere Botschaft war. In Klammern ist die Zahl der Inschriften angegeben, die unter die einzelnen Kategorien fallen.

 

Wenn auch die „Schwere des Lebens, eine grundlegende Skepsis, Unglück, Vergeblichkeit, Entsagung und Tod“ von mehr als jeder fünften Giebelinschrift behandelt wird, so überwiegen insgesamt doch die zuversichtlichen Stimmen. Diese bauen vor allem auf die eigene Tatkraft, die eigene Arbeit und das Vertrauen in Gott.

 

Die Inschriften wurden von Großbuchstaben in Normalschrift übertragen. Gelegentlich wurden behutsame Änderungen im Detail vorgenommen, etwa um die Lesbarkeit zu steigern.  Beispielsweise bei der Inschrift „Bleibe im Lande und nähre dich redlich“ wurde auf den Text von Psalm 237 zurückgegriffen („nähre“ statt „mehre“).

 

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Gottvertrauen, Bitten an Gott

 

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Herr behüte dieses Heim.
Laß die Menschen, die hier weilen,
liebe traute Stunden teilen.

 

Gib Gesundheit Freud und Glück,
denn das ganze Erdenleben
ist ja nur ein Augenblick.

 

*

 

Schenk uns Trost in aller Not,
Kraft, wenn uns Versuchung droht,
Glauben, der die Furcht nicht kennt,
Liebe, die wie Feuer brennt.

 

*
Vertrau auf Gott.

 

*

 

Hoffe auf den Herrn und tue Gutes.
Bleibe im Lande und nähre dich redlich.
So wird ihr Gut ewiglich bleiben.

 

Konrath Lange und Dorothea Kammeiers

 

*

 

Menschenherz kennt nimmer Ruh.
gebe Gott seinen Segen dazu.

 

Erbaut durch Ferdinand Bredemeir u. Doris geb. Kruse
MDCCCCX (1910)

 

Umgebaut durch August Bredemeier u. Luise gb. Lessmann
Anno MDCCCCXVI (1926) bis
MDCCCCXXXXVIIII (1949)

 

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 Lob der Tradition und der Handwerkskunst

 

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Schau trau wem!
Solange noch die Eichen wachsen,
in alter Kraft um Haus und Hof,
solange stirbt in Niedersachsen
die alte Stammesart nicht aus

 

*

 

Wenn ungerechte Rache dich aus der Heimat trieb,
nimm es unter meinem Dache
als treuer Freund vorlieb.

Nur eins ist, was ich bitte!
Laß du mir ungeschwächt
der Väter fromme Sitte,
des Hauses heilig Recht.

 

*

 

Das Neue ist nicht immer das Rechte.
Das Alte ist nicht immer das Schlechte.

 

*

 

Handwerkskunst aus alter Zeit
heut noch jedes Herz erfreut!

 

Erbaut durch August Bredemeier,Giebelinschri
U. Luise geborene Lessmann
Anno MDCCCCXXV (1926)

 

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Lob der Arbeit und des Fleißes – Verdammung der Faulheit

 

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Was Du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen (Goethe).

 

*

 

Arbeite gern und sei nicht faul!

 

*

 

Tue recht und scheue niemand.

 

*

 

Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.

 

*

 

Wer fleißig ist in seinem Stand,
den segnet Gott mit milder Hand.

 

*

 

Ein goldner Segen
reift allerwegen.
Mußt dich nur regen!

 

*

 

Ora et Labora (Bete und arbeite)

 

*

 

Willst du getrost durchs Leben gehn,
blick über dich.
Willst du nicht fremd im Leben stehn,
blick um dich.
Willst du dich selbst in deinem Werke sehn,
blick in dich!

 

*

 

Gehe hin in Gottes Namen,
greif dein Werk mit Freuden an.
Frühe säe deinen Samen!
Was getan ist, ist getan.

 

*

 

Sieh nicht aus nach dem Entfernten!
Was nah liegt, mußt du tun.
Säen mußt du, willst du ernten.
Nur die fleiß´ge Hand wird ruhn.

 

Müßigstehen ist gefährlich.
Heilsam unverdroß´ner Fleiß.
Und es steht Dir abends ehrlich
an der Stirn des Tages Schweiß.

 

*

 

Du erbst von deinen Eltern.
Erbst du nicht auch den Fleiß,
so wirst du drauf verderben.

 

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Vertrauen in die eigene Tatkraft – Blick auf Helden – Zuversicht und Zukunftsorientierung

 

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Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten,
nimmer sich beugen,
kräftig sich zeigen,
rufet die Arme der Götter herbei (Goethe).

 

*

 

Laß die Träume, laß die Grillen,
sage nicht: Kommt Zeit, kommt Rat!
Alles liegt in Deinem Willen.
Alles liegt in Deiner Tat.

 

*

 

Wenn zwei Menschen auseinander gehen,
sagen sie: Auf Wiedersehen!

 

*

 

Echte Heldenherrrlichkeit findet und sieht
man heute wie immer,
man muß sie nur zu erkennen wissen
und nicht meinen, sie blühe
nur auf Schlachtfeldern (Goethe).

 

*
Vorwärts immer, rückwärts nimmer.

 

*

 

Laß fahren die Vergangenheit,
sie kann dir nichts mehr geben.

 

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Betonung der eigenen Unabhängigkeit

 

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Einer betracht´s, der andere belacht´s.
Wem´s nicht gefällt,
sieh auf´s Feld.

 

*

 

Vor Menschen fürcht dich nicht.
Ihr Pfeil trifft nur dein kurzes Erdenheil,
Doch fürchte dich vor deinem Ich.
Das ist der Feind, den fass und brich!

 

*

 

Dies Haus hab ich für mich gemacht,
und ob auch mancher spottet und lacht,
was schadet es mir?
Ein jeder kehre vor seiner Tür!

 

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Aufruf zur Bescheidenheit - Wie man glücklich wird – Humor

 

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Was der Verstand nicht fassen kann,
das siehe mit Bewunderung an.

 

*

 

Glücklich sein heißt:
Die Welt so sehen,
wie man sie sich wünscht (Fomane).

 

*

 

Jeder sieht nur seine Plage,
glaubt, daß er am schwersten trage,
und ist sehr erstaunt,
hört er eines anderen Klage.
Der ist, heißt´s dann, schlecht gelaunt.

 

*

 

MDCCCCXXXXVII (1947)

 

Zieh´ enger deinen Lebenskreis,
doch laß ihn heller strahlen,
daß jede holde Stunde
sich kann farbig malen.

 

*

 

Die Stunde ist ein Gottgeschenk,
sie ist dir ganz zu eigen,
ob du sie auszuschöpfen weist,
wird dir die Zukunft zeigen.

 

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Schwere des Lebens, grundlegende Skepsis, Unglück, Vergeblichkeit, Entsagung und Tod

 

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Näher rückt die trübe Zeit
und ich fühls mit Beben,
Schwinden muß die Herrlichkeit,
sterben junges Leben.

 

Waldesschmuck in Blütenpracht,
sinken bald in Grabesnacht,
Scheiden das bringt Leiden.

 

*
Oft ist das Leben grausamer als der Tod.

 

*
Und wenn es einst zum Letzten geht
und wenn das warme Leben
in deinen Adern stille steht:
dort, wo dein Vater sterbend lag,
wo deiner Mutter Auge brach,
den letzten Kampf zu streiten.

 

*
MDCCCCXXXXiX (1949)

 

Viel gejaget, wenig gefangen,
viel gehöret, wenig verstanden:
Viel gesehn nichts gemerkt
sind drei vergebliche Werk

 

*

 

Alles, was du hörst, glaube nicht,
alles, was du weißt, sage nicht.
Alle die Leute, die mich kennen
und meinen Namen nennen,
denen gebe Gott,
was sie mir gönnen.

 

*
Dies Haus ist mein und doch nicht mein,
der vor mir war, dacht auch, es wär sein,
der ging hinaus und ich hinein.
Nach meinem Tod wird´s auch so sein.

 

*

 

Schlecht sind die Zeiten
und schwer ist die Not.
und Tausende flehen Erbarmen.
und Tausenden fehlt es an trockenem Brot,
und Tausende pfeifen aufs höchste Gebot.

 

*

 

Jedes Hüsken
hat sin Krüzken.

 

*

 

Die grauen Häuser im dämmrigen Grunde
sind ganz wie die alten Leute.
Sie stehen und warten der Stunde
und fallen ihr müde zur Beute.

 

Sie senken in Träume der Jugendzeit
die alten Häupter versonnen,
wie ist doch das Leben so rasch
und weit von ihnen dahingeronnen.

Und wiegen die Glocken den Tag zur Ruh
und nebeln die Schatten hernieder,
sie neigen einander die Giebel zu
und klingen vergessene Lieder

Manfred Bredemeier mit Partnerin Linda Stünkel und Sohn Tim auf dem Sippentreffen in Uchte.

Karl Bredemeyer, 1886 – 1982
Geschäftsmann und Familienforscher, Poet und Philosoph

 

Referat am 29. September 2018 auf dem Bredemeier-Treffen auf Hof Frien in Uchte

 

Von Willi Bredemeier

 

Die Bredemeier-Familienforschung hat eine Menge zustande gebracht. Die Ergebnisse bestehen vor allem um Genealogien, wer also wen heiratete und welche Kinder geboren wurden. Aber wenn wir wissen wollen, wie die Bredemeiers in früheren Generationen gelebt haben und welche Leistungen die einzelnen Bredemeiers im Verlauf ihres Lebens zustande gebracht haben, wird die Quellenlage sehr dünn. Glücklicherweise gibt es Ausnahmen, dann nämlich, wenn die Bredemeiers schriftliche Zeugnisse über sich hinterlassen haben oder wenn sie in ihren Texten auf einzelne Bredemeiers zu sprechen gekommen sind.

 

Ein Bredemeier, den ich Ihnen heute Abend näherbringen möchte, ist Karl Bredemeyer aus Essern, über Jahrzehnte Lederwarenhändler in Nienburg und zugleich Familienforscher, Poet und Philosoph. Seine größte bleibende Leistung besteht darin, die Ergebnisse der Bredemeier-Familienforschung um genealogische und weitere Kenntnisse der Bredemeyer-Sippe rund um Warmsen erweitert zu haben. Aber er interessierte sich genauso dafür, wie es seinerzeit auf den Dörfern zuging, und hat mehreren Bredemeiers ein bleibendes Denkmal gesetzt.

 

Da war beispielsweise Johann Hinrich Bredemeier, geboren 1762. Das war eine Zeit, in der man nach der Polizeiordnung verpflichtet war, sonntags in die Kirche zu gehen und das Arbeiten während der Zeit des Gottesdienstes bestraft wurde. In Lüneburg wurde sogar das Spazierengehen als Laster von den Behörden verfolgt. Von Diepenau bis Hannover benötigten die Kiepenkerle auf ihren Fußmärschen 26 Stunden oder sie kamen nie an, weil sie am Räuberberg bei Neustadt Banditen in die Hände gefallen waren.

 

Johann Hinrich Bredemeier war für die damaligen Verhältnisse ein abweichender Fall, nämlich, und hier zitiere ich Karl Bredemeyer, ein „streitbarer Mann, redegewandt und schlagfertig. Behörden und Ämtern trat er energisch entgegen. Sein Wort war: „Was Recht ist, muss Recht bleiben.“ Durch seine Eigenarten ist er in der näheren und weiteren Umgebung legendär geworden.“

 

An anderer Stelle schreibt Karl über ihn: „Johann Hinrich war für die damalige Zeit gescheit und klug. Er verfasste Schriftstücke für andere Leute. Auch besaß er einige Kenntnisse in der Geodäsie (Landvermessen). Zur Arbeit auf dem Lande war er nicht zu gebrauchen. Wie man im Volksmund sagte, war er „wietlüftig“! Hatte er eine Idee gefasst, so setzte er diese übertrieben ins Werk. So betrieb er die Schafzucht sehr im Großen. Wenn der Schäfer mit seiner Herde zurückkam, bildete diese eine Kette von Vennen Kamp Schröder bis nach dem Felde (1000 m). Von der Schafzucht verfiel er auf Urbarmachung von Ödland. Der Vennen  Tagelöhnern. Er selbst trieb währenddessen brotlose Künste wie Steine sprengen, Stubben roden, Land vermessen und Briefe schreiben. Hatte er dann einen neuen Plan gefasst, war er zu Hause nicht zu halten. Er fing an zu laufen, redete mit sich selbst, vergaß sich soweit, dass er die Leute umlief. Während der Zeit, da die Warmser Mühle gebaut wurde, war er selten zu Hause.“

 

Das hört sich so an, als ob Johann Hinrich, hätte er in einer anderen Zeit unter besseren Bedingungen gelebt, seine brotlosen Künste in Gold hätte verwandeln können, indem er ein erfolgreicher Unternehmer geworden wäre.

 

Karl Bredemeyer wurde 17. Juli 1886 in Essern geboren, eine Gemeinde, die sich lange Zeit in Auseinandersetzungen mit Nachbargemeinden um Weiderechte befand. Sein Interesse an der Familienforschung wurde früh geweckt, was er so schildert: „Sehr oft habe ich mit meinen Eltern, des Öfteren auch mit meinem Vater allein des Sonntags Besuche bei Verwandten gemacht. Dann erzählte er von seinen Eltern und seiner Jugend. Manchmal wurde ihm das Fragen zu viel. So sagte er dann: „Junge, Du kannst der Kuh das Kalb abfragen!“ Dann wurde das Thema gewechselt.“

 

Seiner Mutter, aber auch den Bauern in Essern und dem Zusammenhalt unter ihnen, hat Karl Bredemeyer weitere Denkmale gesetzt. So führte eine Typhus-Epidemie dazu, dass drei erwachsene Glieder der Familie seiner Mutter „innerhalb 3 Monaten zu Grabe getragen wurden. Die Witwe Sophie, geb. Mödeker, blieb mit ihrem 4 Monate alten Säugling allein auf dem Hof Kuhlmann Nr. 6 zurück, durch die Nachtwachen und Aufregungen selbst zum Sterben krank. Die Nachbarn, ja selbst das ganze Dorf, haben sich am Helfen beteiligt. Die Nachbarn versorgten die Insassen des Hofes, Mutter und Kind, mit Nahrungs- und Lebensmitteln. Infolge der Ansteckungsgefahr war der Hof durch einen Strohwisch gekennzeichnet. Er durfte nicht betreten werden. An einem bestimmten Platz wurden die Lebensmittel gelegt. Das Vieh war von den Dorfbewohnern in Pflege genommen, die Ernte und Landarbeiten von Nachbarn und der Gemeinde erledigt. …

 

Und doch, das Leben ging weiter. Die junge Frau mit dem Kind konnte den Hof nicht allein bewirtschaften. Nach knapp einem Jahr, am 24. September 1871, heiratete die Witwe Sophie Schmidt, geb. Mödeker, den Haussohn Friedrich Bredemeier, von dem Hof Wüpken, Hauskämpen Nr. 62. Auf diese Weise ist die Brinksitzerstelle, der Hof Kuhlmann, Essern Nr. 6, mein und meiner Geschwister Geburts- und Elternhaus geworden. Anzunehmen ist, dass die Ehe durch Vermittlung von Verwandten oder Bekannten auf dem damals üblichen Wege zustande gekommen ist. … Friedrich Bredemeier brachte 800 Thaler in den Hof. Damit ist der Hof erst einmal saniert worden.“

 

Karl Bredemeyer schildert sodann das 21-jährige Gastspiel der Bredemeiers auf diesem Hof, bis das älteste Kind aus erster Ehe den Hof übernahm und die Mutter auf das Altenteil musste. Zitat: „Meine Mutter war eine tapfere Frau: nach kurzer Ehe Witwe geworden, innerhalb 3 Monaten 3 Erwachsene zu Grabe getragen; in zweiter Ehe 7 Kinder geboren, 4 davon als Kinder durch den Tod verloren (Diphterie), mit 50 Jahren auf Altenteil angewiesen. Und doch eine Frohnatur.“

 

An anderer Stelle schreibt Karl: „Es war das Los aller nachgeborenen Söhne und Töchter eines Bauern, sich in kleineren und kleinsten, in Brinksitzer-, Neu- und Anbauerstellen oder gar als Häusling, gleich eines Tagelöhners, als Knecht und Magd bei den größeren Bauern zu verdingen; oder sie wanderten in die Stadt als Handwerker, Kaufleute und Lehrer“. Er selbst überlegte, ob er in die USA auswandern sollte, wurde aber von seinem Vater von diesem Vorhaben abgebracht. Aber auch Nienburg, wo er sich 1924 als Inhaber eines Lederwarengeschäftes niederlassen sollte, war von Essern geographisch und kulturell weit weg, und er scheint sein Leben über an Heimweh gelitten haben.

 

Sein Interesse an der Heimatforschung wurde weiter geweckt, als es ihn im ersten Weltkrieg in die Schützengräben bei Verdun verschlug. Später las er Remarque, „Im Westen nichts Neues“, weil dort ein Heinrich Bredemeyer aus Warmsen auftauchte, und bestätigte, dass der Krieg in den Schützengräben so schlimm war wie von Remarque beschrieben. Als er verwundet ins Lazarett kam, wo die Soldaten wie die Fliegen starben, wurde er von einem Pfleger privilegiert behandelt, weil dieser aus der gleichen Ecke kam und das am Namen „Bredemeyer“ erkannt hatte. Das rettete ihm womöglich das Leben.

 

Nach Nienburg zurückgekehrt, wurden Karl Bredemeyer zwei Töchter und ein Sohn geboren. 1942 kam sein Sohn bei einem Flugzeugabsturz im besetzten Griechenland um. Karl Bredemeyer hat auch darunter gelitten, dass er seinen Namen nicht weitergeben konnte. Nachdem er das Geschäft seiner ältesten Tochter übergeben hatte und zum Rentner geworden war, dürfte er seine Zeit vor allem der Bredemeier-Familienforschung gewidmet haben.

 

Die persönlichen und politischen Katastrophen, die er durchleben musste, hatten ihn grundsätzlich skeptisch und zivilisationskritisch werden lassen, so dass aus seiner Sicht die Schicksale über die Menschen kommen und sich kaum von ihnen gestalten lassen. Beispielsweise die Raumfahrt konnte er nur als einen Irrweg sehen. Das Fehlen eines Gegenübers, der mit ihm auf Augenhöhe als Poeten und Philosophen diskutiert hätte, dürfte seine Einsamkeit verstärkt haben.

 

Aber er war auch ein liebevoller, inniger und teilweise fröhlicher Poet, der seine Familie, seine weitere Verwandtschaft und seine Heimat mit Gedichten beschenkte. So schrieb er 1959 zum zehnten Geburtstag seiner Tochter Christa unter anderem:

 

„Wer jede Möglichkeit benutzt,
Um andere zu erfreuen,
Wer immer redlich sich bemüht,
Um Liebe zu erneuern,
Wer keinen Augenblick versäumt,
Ein freundlich Wort zu sagen,
Ein Schicksal mitzutragen,
Dem wird die Welt zu jeder Frist
Im rechten Licht erscheinen.
Der braucht an frühen Gräbern nicht
Verschuldetes beklagen.“

 

Die Sippe der Bredemeiers beschrieb er als Ergebnis seiner Familienforschungen und weiterer Vermutungen so: „Unsere Vorfahren waren … einfache schlichte Männer und Frauen des Volkes, Bauern, Handwerker und Lehrer. Hart haben alle arbeiten und schwere Lasten tragen müssen. Sie wurden heimgesucht durch furchtbare Kriegsjahre, auch vielleicht durch Misswachstum und Teuerung. Vielfach auch wohl bedrückt worden durch Freunde und Feind, aber allen zum Trotz haben sie sich mit dem ganzen Volk in Ehren durchgekämpft. … Unsere Familie braucht sich keiner ihrer Glieder zu schämen, mir ist keiner bekannt. In Fleiß und Strebsamkeit haben sie alle der Familie und sehr oft in führenden Stellen auch in den Gemeinden und im öffentlichen Leben dem ganzen Volk gedient. Mit der Geschichte der Heimat war die Sippe aufs engste verbunden.“

 

Aber Karl Bredemeyer bedauerte auch den Untergang einer bäuerlichen Kultur, die einst von dem Leben in den Städten deutlich unterschieden gewesen ist. So schrieb er: „Der Moloch Industrie frisst den Bauern das Brot. Die Nachkommen „vom Winde verweht“ – ihre Spur findet man nicht mehr.  … Der Bauer, der Erstgeborene, verkauft sein Erbe für ein Linsengericht, für seelenloses Geld, für den Schein. Früher war eine Hufe 30 Morgen eine Nährstelle, heute sind es 80 Morgen, morgen vielleicht 300 und übermorgen die Kolchose. Wer weiß es?“

 

Karl Bredemeyer starb am 17. April 1982. Er wurde fast 96 Jahre alt.

 

Karl Bredemeyer hat den Warmsener Zweig der Bredemeiers ein halbes Jahrtausend zurückverfolgt und damit ein neues Kapitel der Bredemeier-Forschung eröffnet. Der älteste Bredemeier, den er entdeckte, war Curth up the Brede, einen Vollmeier in Warmsen, der von 1400 – 1460 lebte. Die Bredemeiers auf Hof Bussen im benachbarten Schamerloh hat er von 1472 – 1972 genealogisch rekonstruiert.

 

Dazu schrieb er: „In meiner Genealogie bin ich der Linie meines Urahnen Johann Bredemeyer, Schamerloh Nr. 9 (1470 – 1970) nachgegangen, habe ca. 400 Nachkömmlinge dieses Zweiges namentlich festgehalten, dazu das bäuerliche Brauchtum des Dorfes, z.T. wie mir dieses aus meiner Kindheit bekannt ist, das nachbarliche Verhältnis untereinander und miteinander von der Wiege bis zum Grabe. Dieser Bussen Hof war ein großer Hof. Sehr oft sind mangels harter Thaler den Töchtern Grund und Boden aus Brautschatz mitgegeben worden. Der Kindersegen und der Frauenüberschuss waren zu allen Zeiten groß. Die Legende erzählt, dass die Mädchen begehrt waren. Der Lehrer des Ortes hat sich bemüht, diese unter die Haube zu bringen. Wenn es irgendwo auf einem Hof nicht mehr so recht ging, hieß es: „Dat mot´n Bussen Dirn up´n Hof!“ Und der Hof soll dann wieder flott geworden sein.“

 

Was ließe sich Besseres über eine Sippe sagen, als dass ihre Töchter derart tüchtig und auch begehrt waren!

 

Karl Bredemeyer war lange Zeit überzeugt, dass die Sippe der Bredemeier ihren Ursprung in Warmsen hatte. Er schrieb: „Wenn auch ein hieb- und stichfester Nachweis nicht zu führen ist, so sind doch Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in der Tat die Sippe Bredemeyer ihren Anfang und die Wurzel in Warmsen zu suchen ist. Nur in Warmsen gibt es einen Vollmeierhof.“ Später kam er mit der Familienforschung über die Bredemeiers im Schaumburgischen in Berührung und entdeckte, dass ganz ähnliche Ansprüche vom Bredehof in Rolfshagen erhoben wurden. Von da an war er in seinen Schlussfolgerungen vorsichtiger.

 

Sind die Schaumburgischen Bredemeiers teilweise nach Westen oder die Warmsener Bredemeiers zum Teil nach Osten ausgewandert? Oder entstand der Name „Bredemeier“ unabhängig voneinander an zwei Orten? Hier glauben wir gemeinsam mit Karl Bredemeyer: Es bleibt weiter viel in der Bredemeier-Familienforschung zu tun.