Von Familiengeschichte und Familiengeschichten, die (nicht ganz) verlorengegangen sind

Horst Bredemeier, aus dem Auetaler Zweig der Bredemeier stammend, hätte wie seine Brüder Harms und Rolf gern an unserem Sippentreffen in Uchte teilgenommen. Aber kurz vor unserer Zusammenkunft rief er bei uns an und entschuldigte sich krankheitshalber. Wir verabschiedeten uns in der Hoffnung auf ein möglichst nicht zu fernes persönliches Kennenlernen.

 

Dazu kam es nicht mehr. Horst Bredemeier ist Ende November 2018 nach wochenlangen Klinikaufenthalten mit 85 Jahren gestorben.

 

Was hätte er nicht alles zu erzählen gehabt, was nun unwiederbringlich verlorengegangen ist. Nein, nicht ganz verlorengegangen. Sein Sohn Jörg-Henrich, der mit seiner Familie gleichfalls in Uchte dabei war, hat uns Erinnerungen seines Vaters, die er ihm erzählte, zur Verfügung gestellt. Wir veröffentlichen sie mit seiner Genehmigung.

 

Dennoch: Vertreter der jüngeren Generation interessieren sich zunächst nicht für Familiengeschichte(n). Das ist verständlich, müssen sie sich doch zunächst ihr eigenes Leben aufbauen. Später interessieren sie sich vielleicht doch dafür. Aber dann ist es womöglich zu spät.

 

Im Folgenden zwei Geschichten aus Horst Bredemeiers Leben:

 

Durch Alleebaum von einem Tieffliegerangriff gerettet

 

Es wird wohl im Frühjahr - Sommer 1944 in Plön gewesen sein, als Horst Bredemeier mit ein paar gleichaltrigen Jungs auf der Straße zwischen Eutin und Kiel Zeuge eines Tieffliegerangriffes auf einen Militärtransport wurde.

 

Während er und ein befreundeter Junge - Papa war 11 Jahre alt - sich hinter einen Alleebaum retteten, wurde ein anderer Junge von einem Geschoss der Bordmaschinenkanone des Jagdflugzeuges tödlich getroffen. Mein Vater sagte mir, dass er noch Jahre später von den Bildern dieses Erlebnisses immer wieder eingeholt wurde.

 

Gefährliche Konfrontation mit dem Gauleiter

 

In dem Plöner Schloss war zu damaligen Zeit eine Napola der Nationalsozialisten eingerichtet. Der Gauleiter wohnte mit seiner Familie auch dort. Papa war mit einem Sohn des Gauleiters befreundet. Unter den Eindrücken  der vielfältigen Freizeitunternehmungen wie Kradfahren auf den Übungsplatzgeländen der beiden ortsansässigen Kasernen, Segeln auf den Seen der Plöner Seenplatte, Segelfliegen, Kleinkaliberschießen und vieles mehr, was die Napola veranstaltete, wurde er vom Gauleiter gefragt, ob er in die Schulklasse seines Freundes an der Napola wechseln wolle. Das wollte er gern. Der Gauleiter gab aber zur Bedingung, dass er zunächst das Einverständnis seines Vaters einholen müsse.

 

Als mein Großvater, ein Marineoffizier auf dem Schlachtschiff Scharnhorst, einige Zeit später auf Fronturlaub seine Familie besuchte, blieb das dem Gauleiter nicht verborgen. Er bat meinen Vater, der mit dem Sohn im Schloss spielte, in sein Arbeitszimmer, um sich nach dem Gesprächsergebnis zum Wechselwunsch an die Napola zu erkundigen. Auf die Frage: "Na Horst, Dein Vater ist jetzt ja schon ein paar Tage auf Fronturlaub. Was hat er denn zu Deinem Wunsch, auf die Napola zu wechseln, gesagt?" antwortete Papa sinngemäß, "Mein Vater sagte, das käme überhaupt nicht in Frage, er (mein Vater) sei schon von den Nazis genug versaut!"

 

Überrascht und getroffen von dieser Antwort, erhielt mein Vater eine so kräftige Ohrfeige, dass er durch das Zimmer flog. Einen Augenblick später gab ihm der Gauleiter einen Rat: "Mein Junge, wenn Du willst, dass Dein Vater von der Gestapo abgeholt wird und ihr ihn nie wiedersehen wollt, brauchst Du das nur noch einmal zu wiederholen!"

 

Durch diesen Vorfall geprägt, ging mein Vater daraufhin vorsichtiger und diplomatischer mit seinen Antworten um.

 

Der Gauleiter wurde zum Kriegsende von Kriegshäftlingen hinter ein Auto gebunden und in den Straßen Plöns zu Tode geschleift, so berichtete mir mein Vater.

 

Jörg-Henrich Bredemeier (Mitte), Sohn von Horst Bredemeier, mit Frau Sandra und Sohn, in Gesellschaft seines Cousins Lars Bredemeier. Auf dem Bredemeier-Sippentreffen in Uchte.