Hattingen: Willi und Gerda
Vom Land ins Ruhrgebiet und wieder zurück:
Auf den Spuren von sieben Jahrzehnten Wandel
Gerda Bredemeier: Die Großmutter von Gerda Bredemeier, geborene Baer, wanderte von Nordhemmern ins Ruhrgebiet aus. Es bestehen bis heute enge Verbindungen zu Verwandten in Nordhemmern und Hartum (Kreis Minden/Lübbecke). In der Verwandtschaft befand sich auch ein angeheirateter Willi Bredemeier (nicht mit dem gleichnamigen Ehemann identisch). Der Vater kehrte als Soldat im Zweiten Weltkrieg in einem „ewigen“ Fußmarsch von Griechenland nach Hause zurück und wurde Holzmeister auf der Zeche Engelsburg in Bochum. Gegen allgemeinen Rat sorgte er dafür, dass Gerda und ihre Schwester auf das Wattenscheider Mädchengymnasium kamen, ein Schritt, der damals überhaupt nicht üblich war. Verwandte hatten ihm seinerzeit empfohlen: „Bau ihnen lieber ein Haus. Dann haben sie wenigstens was Ordentliches.“
Gerda war eine der ersten Studentinnen an der gerade gegründeten Ruhr-Universität Bochum. Sie studierte Mathematik und evangelische Religion und unterrichtete diese Fächer später an Realschulen in Lahr (Schwarzwald), Münster-Wolbeck und dann mehrere Jahrzehnte in Bochum-Wiemelhausen. Die engagierte Lehrerin kümmerte sich nachmittags um Kinder des Hauses Barre, eines Waisenhauses alten Stils, das später geschlossen wurde. Sie nahm auch schon mal Schüler, die in Schwierigkeiten geraten waren, nach Hause mit und war auch außerhalb der Schulstunden für sie da, und sie gestaltete gemeinsam mit Schülern ökumenische Gottesdienste. Mit den Jahrzehnten wurde das Lehren in der Schule schwieriger für sie, weil die Regulierungen durch Politik und Regierungsbehörden zunahmen und weil in ihren Klassen eine Vielzahl von Sprachen gesprochen wurde. Die Idee zu einer Lesung vor der Bredemeier-Sippe, aus der später ein gemeinsames Buchprojekt wurde, stammt von ihr.
Willi Bredemeier: Die Eltern wanderten aus Nordel und Bohnhorst (beides Kreis Nienburg) ins Ruhrgebiet aus, wo der Vater als Hauer auf der Zeche Siebenplaneten (Bochum-Langendreer) arbeitete. Es bestehen bis heute enge Verbindungen zu Verwandten in Bohnhorst. Als die Mutter 1943 starb, wurde Willi als Dreijähriger von seiner Tante in Steinbrink aufgenommen, wo er inmitten vieler Meier und Bredemeier aufwuchs. Als er 1953 ins Ruhrgebiet zurückkehrte, wurde Hochdeutsch zu seiner ersten Fremdsprache. Nach einer Laufbahn als Versicherungskaufmann holte er das Abitur am Dortmunder Abendgymnasium nach und studierte Sozialwissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum. 1983 machte er sich selbstständig und gibt mittlerweile im 32. Jahr „Password“, eine Fachzeitschrift zu Internet-Fragen, heraus. Nach etlichen Sachbüchern gewann er einen Kurzgeschichtenwettbewerb in Zürich und veröffentlichte 2014 seinen ersten Roman zu 70 Jahren Strukturwandel auf dem Lande und im Ruhrgebiet.
Gerda und Willi Bredemeier. Die Beiden haben zwei Kinder und drei Enkelkinder. Derzeit gehören etwa dreißig Prozent ihrer freien Zeit den Enkelkindern. Gerda hat die Textproduktionen ihres
Mannes gegengelesen und begleitet und ist seine größte und konstruktivste Kritikerin. Mit den Jahren wurde diese Zusammenarbeit intensiver, so dass das Ehepaar bei Lesungen zusammen auftritt und
die überarbeitete und erweiterte zweite Auflage von Willi Bredemeiers erstem Roman (wahrscheinlicher neuer Titel: „Dieter Bredemeier. Die Suche. 1943 – 2018“) in gemeinsamer Autorenschaft
erscheint. Auch das nächste belletristische Buch, für das derzeit Interviews mit Zeitzeugen geführt werden (derzeitiger Titel: „Die Bredemeiers. 1460 – 2037“), wollen beide gemeinsam als Autoren
zeichnen.