Kein Haus trägt so viele Giebelinschriften wie das Haus Nummer
87 (Wübken) in Sapelloh. Wir haben 43 gezählt, wobei es manchmal schwierig war, festzustellen, wann eine Giebelinschrift aufhört und wann eine neue beginnt. In Einzelfällen wurde die Jahreszahl
der Inschrift angegeben; dann stammte sie immer aus dem 20. Jahrhundert. Das Buch „Giebelinschriften“, das 1998 von der Glockengemeinschaft Schule Schamerloh e.V. herausgegeben wurde, vermerkt
dazu: „Zwei Generationen Zimmermeister in Sapelloh“. Soweit Namen auf den Giebelinschriften auftauchen, sind das mehrheitlich „Bredemeier“. Derzeit wird das Haus von Manfred Bredemeier und seinem
Sohn Tim bewohnt, die bei dem Sippentreffen der Bredemeiers im September in Uchte dabei waren.
Bei den Inschriften des Hauses Nummer 87 griffen die Urheber unter anderem auf eigene Texte, den Volksmund, die Bibel und die deutsche Klassik (Goethe und Schiller) zurück. Die Inschriften sind eine kulturgeschichtliche Fundgrube und weisen sehr weitgehende Unterschiede auf, was im Leben wichtig zu nehmen ist. Dies wird deutlich, wenn man die Inschriften thematisch zu gliedern sucht:
· Gottvertrauen, Bitten an Gott (5)
· Lob der Tradition und der Handwerkskunst (4)
· Lob der Arbeit und des Fleißes – Verdammung der Faulheit (11)
· Vertrauen in die eigene Tatkraft – Blick auf Helden – Zuversicht und Zukunftsorientierung (6)
· Betonung der eigenen Unabhängigkeit (3)
· Aufruf zur Bescheidenheit - Wie man glücklich wird – Humor (5)
· Schwere des Lebens, grundlegende Skepsis, Unglück, Vergeblichkeit, Entsagung und Tod (9)
Die Giebelinschriften des Hauses Nummer 87 werden im Folgenden
nach den obigen Themenbereichen wiedergegeben. Dabei war es hinzunehmen, dass es bei einzelnen Inschriften thematische Überlappungen gab, so dass Entscheidungen zu treffen waren, was wohl die
wichtigere Botschaft war. In Klammern ist die Zahl der Inschriften angegeben, die unter die einzelnen Kategorien fallen.
Wenn auch die „Schwere des Lebens, eine grundlegende Skepsis, Unglück, Vergeblichkeit, Entsagung und Tod“ von mehr als jeder fünften Giebelinschrift behandelt wird, so überwiegen insgesamt doch die zuversichtlichen Stimmen. Diese bauen vor allem auf die eigene Tatkraft, die eigene Arbeit und das Vertrauen in Gott.
Die Inschriften wurden von Großbuchstaben in Normalschrift übertragen. Gelegentlich wurden behutsame Änderungen im Detail vorgenommen, etwa um die Lesbarkeit zu steigern. Beispielsweise bei der Inschrift „Bleibe im Lande und nähre dich redlich“ wurde auf den Text von Psalm 237 zurückgegriffen („nähre“ statt „mehre“).
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Gottvertrauen, Bitten an Gott
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Herr behüte dieses Heim.
Laß die Menschen, die hier weilen,
liebe traute Stunden teilen.
Gib Gesundheit Freud und Glück,
denn das ganze Erdenleben
ist ja nur ein Augenblick.
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Schenk uns Trost in aller Not,
Kraft, wenn uns Versuchung droht,
Glauben, der die Furcht nicht kennt,
Liebe, die wie Feuer brennt.
*
Vertrau auf Gott.
*
Hoffe auf den Herrn und tue Gutes.
Bleibe im Lande und nähre dich redlich.
So wird ihr Gut ewiglich bleiben.
Konrath Lange und Dorothea Kammeiers
*
Menschenherz kennt nimmer Ruh.
gebe Gott seinen Segen dazu.
Erbaut durch Ferdinand Bredemeir u. Doris geb. Kruse
MDCCCCX (1910)
Umgebaut durch August Bredemeier u. Luise gb. Lessmann
Anno MDCCCCXVI (1926) bis
MDCCCCXXXXVIIII (1949)
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Lob der Tradition und der Handwerkskunst
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Schau trau wem!
Solange noch die Eichen wachsen,
in alter Kraft um Haus und Hof,
solange stirbt in Niedersachsen
die alte Stammesart nicht aus
*
Wenn ungerechte Rache dich aus der Heimat trieb,
nimm es unter meinem Dache
als treuer Freund vorlieb.
Nur eins ist, was ich bitte!
Laß du mir ungeschwächt
der Väter fromme Sitte,
des Hauses heilig Recht.
*
Das Neue ist nicht immer das Rechte.
Das Alte ist nicht immer das Schlechte.
*
Handwerkskunst aus alter Zeit
heut noch jedes Herz erfreut!
Erbaut durch August Bredemeier,Giebelinschri
U. Luise geborene Lessmann
Anno MDCCCCXXV (1926)
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Lob der Arbeit und des Fleißes – Verdammung der Faulheit
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Was Du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen (Goethe).
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Arbeite gern und sei nicht faul!
*
Tue recht und scheue niemand.
*
Von der Stirne heiß
rinnen muss der Schweiß,
soll das Werk den Meister loben;
doch der Segen kommt von oben.
*
Wer fleißig ist in seinem Stand,
den segnet Gott mit milder Hand.
*
Ein goldner Segen
reift allerwegen.
Mußt dich nur regen!
*
Ora et Labora (Bete und arbeite)
*
Willst du getrost durchs Leben gehn,
blick über dich.
Willst du nicht fremd im Leben stehn,
blick um dich.
Willst du dich selbst in deinem Werke sehn,
blick in dich!
*
Gehe hin in Gottes Namen,
greif dein Werk mit Freuden an.
Frühe säe deinen Samen!
Was getan ist, ist getan.
*
Sieh nicht aus nach dem Entfernten!
Was nah liegt, mußt du tun.
Säen mußt du, willst du ernten.
Nur die fleiß´ge Hand wird ruhn.
Müßigstehen ist gefährlich.
Heilsam unverdroß´ner Fleiß.
Und es steht Dir abends ehrlich
an der Stirn des Tages Schweiß.
*
Du erbst von deinen Eltern.
Erbst du nicht auch den Fleiß,
so wirst du drauf verderben.
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Vertrauen in die eigene Tatkraft – Blick auf Helden – Zuversicht und Zukunftsorientierung
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Allen Gewalten zum Trutz sich erhalten,
nimmer sich beugen,
kräftig sich zeigen,
rufet die Arme der Götter herbei (Goethe).
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Laß die Träume, laß die Grillen,
sage nicht: Kommt Zeit, kommt Rat!
Alles liegt in Deinem Willen.
Alles liegt in Deiner Tat.
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Wenn zwei Menschen auseinander gehen,
sagen sie: Auf Wiedersehen!
*
Echte Heldenherrrlichkeit findet und sieht
man heute wie immer,
man muß sie nur zu erkennen wissen
und nicht meinen, sie blühe
nur auf Schlachtfeldern (Goethe).
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Vorwärts immer, rückwärts nimmer.
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Laß fahren die Vergangenheit,
sie kann dir nichts mehr geben.
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Betonung der eigenen Unabhängigkeit
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Einer betracht´s, der andere belacht´s.
Wem´s nicht gefällt,
sieh auf´s Feld.
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Vor Menschen fürcht dich nicht.
Ihr Pfeil trifft nur dein kurzes Erdenheil,
Doch fürchte dich vor deinem Ich.
Das ist der Feind, den fass und brich!
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Dies Haus hab ich für mich gemacht,
und ob auch mancher spottet und lacht,
was schadet es mir?
Ein jeder kehre vor seiner Tür!
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Aufruf zur Bescheidenheit - Wie man glücklich wird – Humor
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Was der Verstand nicht fassen kann,
das siehe mit Bewunderung an.
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Glücklich sein heißt:
Die Welt so sehen,
wie man sie sich wünscht (Fomane).
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Jeder sieht nur seine Plage,
glaubt, daß er am schwersten trage,
und ist sehr erstaunt,
hört er eines anderen Klage.
Der ist, heißt´s dann, schlecht gelaunt.
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MDCCCCXXXXVII (1947)
Zieh´ enger deinen Lebenskreis,
doch laß ihn heller strahlen,
daß jede holde Stunde
sich kann farbig malen.
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Die Stunde ist ein Gottgeschenk,
sie ist dir ganz zu eigen,
ob du sie auszuschöpfen weist,
wird dir die Zukunft zeigen.
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Schwere des Lebens, grundlegende Skepsis, Unglück, Vergeblichkeit, Entsagung und Tod
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Näher rückt die trübe Zeit
und ich fühls mit Beben,
Schwinden muß die Herrlichkeit,
sterben junges Leben.
Waldesschmuck in Blütenpracht,
sinken bald in Grabesnacht,
Scheiden das bringt Leiden.
*
Oft ist das Leben grausamer als der Tod.
*
Und wenn es einst zum Letzten geht
und wenn das warme Leben
in deinen Adern stille steht:
dort, wo dein Vater sterbend lag,
wo deiner Mutter Auge brach,
den letzten Kampf zu streiten.
*
MDCCCCXXXXiX (1949)
Viel gejaget, wenig gefangen,
viel gehöret, wenig verstanden:
Viel gesehn nichts gemerkt
sind drei vergebliche Werk
*
Alles, was du hörst, glaube nicht,
alles, was du weißt, sage nicht.
Alle die Leute, die mich kennen
und meinen Namen nennen,
denen gebe Gott,
was sie mir gönnen.
*
Dies Haus ist mein und doch nicht mein,
der vor mir war, dacht auch, es wär sein,
der ging hinaus und ich hinein.
Nach meinem Tod wird´s auch so sein.
*
Schlecht sind die Zeiten
und schwer ist die Not.
und Tausende flehen Erbarmen.
und Tausenden fehlt es an trockenem Brot,
und Tausende pfeifen aufs höchste Gebot.
*
Jedes Hüsken
hat sin Krüzken.
*
Die grauen Häuser im dämmrigen Grunde
sind ganz wie die alten Leute.
Sie stehen und warten der Stunde
und fallen ihr müde zur Beute.
Sie senken in Träume der Jugendzeit
die alten Häupter versonnen,
wie ist doch das Leben so rasch
und weit von ihnen dahingeronnen.
Und wiegen die Glocken den Tag zur Ruh
und nebeln die Schatten hernieder,
sie neigen einander die Giebel zu
und klingen vergessene Lieder