Fritz Bredemeier, An den Pyramiden von Gizeh
(22. Dezember 2019)
Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (II):
Ich soll alles organisieren, habe aber von nichts ne
Ahnung.
Wir sind mehrere Kollegen, welche unser Messschiff unterstützen
sollen. Das Messschiff „Prospekta“ soll im Roten Meer seismische Messungen durchführen. Es gibt schon Erdgas dort. Der ägyptische
Auftraggeber will es aber nun genauer wissen.
Wenn man ein Gelände vermisst, muss man wissen, wo man welche
Messung vorgenommen hat. Die Messungen sind punktförmig. Man braucht ein Navigationssystem auf See. (Physikalisch drei Sender an Land im Dreieck aufstellen. Diese stellen ein
Netz von Funkwellen her, in dem man navigieren kann).
Ich bin für die Navigation „LORAC“ zuständig und die
Funkverbindung der Sendestationen untereinander. Insgesamt haben wir vier Stationen mit Stromversorgung, Sender, Sendemast sowie Material- und Wohnzelt. Wir brauchen Ersatzteile für die Motoren
und entsprechendes Werkzeug, es ist Benzin für den Betrieb und Wasser für die Betreiber zu organisieren. Das ist alles kein Selbstläufer, Unterbrechungsfreie Stromversorgung ist gefordert. Dazu
gehört auch Ölwechsel und Wartung. Das Benzin hat nicht die Qualität, die wir gewohnt sind. Zur Wartung gehört auch das Einschleifen von Ventilen.
Ich bin der Verantwortliche, der das alles organisieren soll. –
Dabei habe ich von nichts ne Ahnung.
Dann ist da noch das Wohnzelt mit Kühlschrank und Gaskocher, Pött un
Pann - Messer und Gabel - Tisch und Bett - aber kein Klo! Das alles ist in Transportkisten für den Auslandeinsatz zu verpacken.
Wir als Ausländer dürfen nicht Auto fahren und nicht ohne
Aufsicht die Straße verlassen. Diese Verordnung wurde wegen der Spannungen mit Israel erlassen. Wir haben persönliche Begleiter. Ich habe einen Lkw zur Verfügung, um die Stationen zu versorgen.
Benzin und Wasser beziehen wir vom Camp „Ras Gharib“, Lebensmittel aus Suez von einem Agenten.
Aber von alle dem weiß ich zu dieser Zeit nicht viel. Es gibt
noch administrative Schwierigkeiten. Wie zum Beispiel: Die Sprengladungen werden an Fußballblasen aufgehängt, damit die Ladung nicht ins Unbekannte absinkt. Die Fußballblasen kommen in so ein
Einkaufsnetz, damit man etwas dran fest machen kann. Diese Netze, zu Tausenden eingekauft, sind aus Baumwolle. Baumwolle darf aber in Ägypten nicht eingeführt werden. Baumwolle haben sie
selber.
Ein Boot muss gechartert werden, dass auf uns aufpasst. „Mustafa“ heißt es - drei Mann Besatzung. Es dauert und dauert und wir haben noch einige Zeit. Wir sind Gastarbeiter.
Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (III):
Fotografen sind Freiwild, die haben es ja.
Donnerstag, den 11. Januar 1962
Frühstück morgens um 10.00. Es gibt ein Brötchen, eine Scheibe Toast und ein Hörnchen; etwas Butter, Kaffee, warme Milch und Orangensaft. Der Kaffee ist nicht berühmt!
Gang in die Stadt. Echt Großstadt. Hohe Häuser - sechs bis acht Stockwerke hoch.
Viele einfache Menschen - bettelnde Kinder zwischen sechs und zehn Jahre – Händler, die einem alles Mögliche verkaufen wollen und hundert Meter, zweihundert Meter und noch weiter hinter uns herlaufen.
Dabei ständig in Deutsch, Englisch, Arabisch redend und was weiß ich noch. Schuhputzer belagern mich und geben nie auf. Ich sehe eine Frau auf der Straße sitzen. Krüppel rutschen auf der Straße
und werben um unser Mitleid. Eine armselige Kiste steht auf einer Promenade. Ein Kind kriecht dort auf der Erde herum - es ist wohl ein oder zwei Jahre alt. Es ist vermutlich schon den ganzen Tag
dort herumgekrochen.
Ein Rat von unseren Leuten, die die Verhältnisse besser kennen als wir - auch wenn es schwerfällt, Bettlern nichts zu geben. Das führt zu ungeahnten Verwicklungen auch untereinander. Als dummer
Zugereister kennt man die Verhältnisse nicht und kann sich nicht passend verhalten.
Leute mit Fotoapparat sind Freiwild, die sind reich, die haben es ja.
Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (IV):
An den Pyramiden von Gizeh
Freitag, den 12. Januar 1962
Große Sache - Fahrt mit Taxi nach „Gizeh - Cheops
Pyramiden“. Aufnahmen gemacht - auf einem Kamel gesessen - in die große Pyramide eingestiegen - Die Bearbeitung der Steine ist wunderbar. Fast fugenlos sind tonnenschwere
Granitblöcke zusammengefügt. Der Gang ist recht eng und liegt etwa 30 Grad schräg. Auf halbem Weg erweitert sich der Gang zu einer Halle – circa zehn bis fünfzehn Meter hoch und wohl dreißig
Meter lang. Granit poliert! Es ist warm drinnen.
Große Granitblöcke liegen draußen in der Gegend herum. Der Granit
kommt von hundert Kilometer weiter oberhalb des Nils. Das andere Gestein stammt aus dem Steinbruch bei Kairo - der ist vierzehn Kilometer entfernt und jenseits des Nils!
Dies ist vorgeschichtlicher Boden. Wenn der erzählen
könnte!!
Weiter östlich lauert die „Sphinx“. Die ist mit
Stacheldraht abgesperrt. Der Zugang kostet. Es kostet überhaupt, sich der vielen Kamelreiter, Führer und Händler zu erwehren. Jeder bietet seine
besonderen Fähigkeiten an. Mit der Taxe wieder zurück. Der Fahrer murrt, als er die letzten Piaster von dem Wechselgeld rausrücken soll.
Eine Volksmenge umringt einen Mann, der allerlei Kunststücke macht.
Als wir einen Moment zusehen, fallen die Schuhputzer über uns her. Unsere Schuhe sind in der Tat etwas staubig. Mein Schuhputzer bringt einen matten Glanz zustande. Unglücklicherweise gerät mir
ein Fünfzig-Piaster-Schein in die Hand, den er befriedigt einsteckt.
Als ich ihn zurückrufe und er mir wechseln soll, leiht er sich drei
Piaster, gibt sie mir, und alle sind verschwunden. Geblieben ist das Gefühl, tüchtig übers Ohr gehauen worden zu sein. Das war in des Wortes rechter
Bedeutung „Lehrgeld“.
Wenig später werden wir von einem Mann angesprochen, der uns in
sein Geschäft einlud. Zur Begrüßung gibt es Schei (Tee). Er zeigt uns seine Referenzen in deutscher und englischer Sprache. Im Obergeschoß stellt er Kamelsättel, bestickte Kissen, Kupfer
und Silberarbeiten aus - schöne Sachen! Er sagt, wir sollten gern wiederkommen, aber bitte ohne einheimische Begleitung. Es komme vor, dass die
Begleitung Provision verlangten, was den Preis natürlich beeinflussen würde. Wir gehen mit den besten Empfehlungen.
Wir stehen auf einem Aussichtsturm in 150 Meter Höhe. Von hier aus
kann man Kairo gut überblicken. Eine Megalopolis.
Im Westen geht die Sonne unter - man kann die Pyramiden sehen. Als die Sonne versunken ist, gehen wir auf die andere Seite der Plattform - Die Stadt liegt im Dunkeln - die Lichter brennen. Einen derart schlagartigen Übergang vom Tag in die Nacht haben wir Männer aus dem Norden zuvor nie gesehen.