Fritz Bredemeier: Ankunft in Ägypten

Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (I):

 

Was nützt ein Tagebuch in einem Regal, was nur ich lesen kann! Außenstehende können das nicht verstehen, weil Begebenheiten mit technischen Details und eigene Gedanken vermengt sind. Aber es scheint mir zu schade, diese Begebenheiten der Öffentlichkeit zu verheimlichen.

 

Nun soll das ja auch mal fertig werden. Auch nach sorgfältigem Durchlesen gibt es immer noch Fehler. Manches könnte man besser formulieren - ich habe mich weitgehend an den ursprünglichen Stil gehalten - manches aber in meinem jetzigen Sprachverständnis verändert.  Das alles ist ja auch schon mehr als fünfzig Jahre her!

 

Es sind noch viele weitere Begebenheiten passiert, die nicht in dem Büchlein drinstehen. Unter den gegebenen Umständen war das Büchlein mehr als Protokoll gedacht, um bei Nachfragen nicht dumm da zu stehen. Als Rückversicherung quasi.

 

Auf der einen Seite war das feindliche Ausland, der Auftraggeber GPC - fordert Leistung, die er ja auch bezahlen soll - Prakla wird mit Umständen konfrontiert wie noch nie vorher - wir aus dem Wunderland hatten keine Vorstellung vom Stellenwert der Religion, des Islam.

 

Aus Vorsicht habe ich manches nicht aufgeschrieben, was man uns von Seiten des Auftraggebers hätte vorwerfen könnte. Es herrschten erhebliche Spannungen zwischen uns und den Vertretern von GPC. Wie erwähnt darf Baumwolle nicht eingeführt werden. Unser Nachschub liegt tagelang im Zoll. Unsere Fahrzeuge stehen unter Zollverschluss. Die Entfernungen sind erheblich - LORAC - das Navigationssystem besteht aus drei Sendern und einer Referenzstation - es sind also viermal Benzin, Wasser und Lebensmittel für mindestens acht Personen sicher zu stellen. Jeder Station war ein einheimischer Helfer zugeteilt. Man war sich auch nicht sicher, inwieweit das ein Spion war. Jedenfalls mussten wir ihn mitversorgen.

 

Die Stationen waren so etwa hundert Kilometer auseinander. Die Technik war das erste Mal so richtig im Einsatz. Wir hatten keine Erfahrung. In Europa darf man das System nicht betreiben, also hatten wir, hatte ich als Verantwortlicher keine Ahnung von den Tücken der Materie.

 

Benzin und Diesel gab es an der Tankstelle. Das ging etwa so: ins entsprechende Büro gehen,  sagen was man will, „ah fuel, hau matsch“, sechzig Liter, Zettel ausfüllen, Der Zettel geht zu einem Sachbearbeiter, dann zu einem Boten, welcher den Zettel zum Vorsteher bringt, der muss abzeichnen, dann geht der Zettel zu einer weiteren Stelle, von wo er dann zum Schalter für die Ausgabe gelangt. Mit dem Zettel fährt man zur Tankstelle. Der Tanker hält den Schlauch an den Tankstutzen des Autos, und dann fließen sechzig Liter Benzin aus dem Schlauch. Wenn der Tank schon nach 56 Litern voll ist, das verdunstet wieder. Diesel verdunstet aber nicht und so sieht es dort auch aus.

 

Der Vorsteher ist ein Herr jüngeren Alters, wohl frisiert, mit Sonnenbrille, und bevor er das Gebäude seines Wirkungskreises betritt (über ein wackeliges Brett wegen Dreck) rückt er sein dunkles Jackett zurecht, zieht die Manschetten des schneeweißen Oberhemdes drei Zentimeter hervor, richtet sich auf und betritt mit blank geputzten Schuhen, Respekt erheischend sein Office. 

 

Unser Englisch war genau so schlecht wie das seine.

 

Mit diesen Leuten sitzen wir am Essenstisch. Denen sitzen die Fliegen beim Kauen an der Lippe. Wenn wir nicht mehr können und versuchen, die Fliege fortzujagen, ist man erstaunt bis konsterniert. Und von denen sollen wir uns kujonieren lassen?

 

In El Tor.  Das ist ein Quarantäne-Lager. Jeder Muslim muss einmal in seinem Leben die Kaaba, den heiligen Stein, dreimal umrundet habe. Der Hadsch. Wenn die Pilger mit dem Schiff aus Saudi-Arabien zurückkommen, müssen sie erst mal vier Wochen in Quarantäne und zwar in El Tor. Damit keine Krankheiten eingeschleppt werden.

 

Der Hafen ist infolge des Riffs ziemlich ruhig und bei allen Windverhältnissen zu erreichen.

 

Vor diesem Hafen hat Prospekta angefangen zu messen. Gemessen wird nach dem Prinzip der Echolotung. Man macht einen Krach und wartet, bis das Echo zurückkommt. Aus der Differenz errechnet man die Lage der verschiedenen Erdschichten. Um aus vier Kilometern Tiefe noch Echos zu empfangen, nimmt man Sprengstoff als Pulsgeber.

 

Wer mit Sprengstoff in fischreichen Gewässern operiert, ist heute ein Verbrecher. Das hat damals niemanden interessiert.

 

Ein Fischer hat mir im Hafen von El Tor zwei Individuen gezeigt, die ich nicht genau beschreiben kann. Sie waren sehr groß, dunkle Oberfläche, geformt wie eine Frau mit breitem Becken, keine zwei Beine, eher wie eine Nixe, oben am Rumpf so etwas wie ein Kopf. In meinen Augen ein warmblütiges Tier. Ich habe es nicht angefasst, ich weiß immer noch nicht, ob es die Zoologen beschrieben haben. Die Seeleute redeten aber von Meerjungfrauen. Der Fischer machte einen betrübten Eindruck. Ich fühlte mich nicht gut, aber auch nicht schuldig. - so nach fünfzig Jahren habe ich immer noch dieses Bild von den zwei zum Teil aus dem Wasser gezogenen Meerjungfrauen.

 

Jetzt habe ich im Internet mal geforscht - es können nur „Manatis“ gewesen sein. Das sind Seekühe, also im Wasser lebende Säugetiere. Es sind Pflanzenfresser, solange das Angebot reicht (25 Kilogramm täglich), sonst mögen sie auch Fisch. Sie leben nur in warmem Wasser in Afrika und Amerika. Manche werden bis sechs Meter lang und bis 500 Kilogramm schwer.

 

Das Hilton-Hotel in Kairo. Der Raum, in dem wir gespeist haben (das erste Mal in meinem Leben in einem Luxushotel), war eine Wand aus Edelsteinen und Halbedelsteinen, geschliffen und durchleuchtet. Der tiefschwarze Kellner verteilte mit der Hand den Salat. Zuhause musste ich immer die Hände waschen, und nun das!

 

Die Maschinenmaaten auf der Werft hatten auch solche Hände!

 

Es ist Ehrensache, dass man Fußgänger, die man unterwegs trifft, mitnimmt. Ich traf südlich Suez einen Soldaten zu Fuß in Richtung Süd. Er konnte hinten auf dem Land Rover Pic-Up gut mitfahren. Als ich dann von der Straße abbog, stieg er aus. Abends fand ich eine Papierrolle. Das waren militärische Unterlagen, welche per Kurier zu einem anderen Standort gebracht werden sollten. Der arme Bengel hat mir ja echt leidgetan.

 

Militärische Unterlagen in der Hand von Ausländern und Zivilunken - shocking!

 

Auf der Strecke von Suez nach Ras Gharib führt die Straße in einem Abschnitt, unmittelbar am Wasser entlang. Rechts hohe Felswände, links tiefes Wasser und immer entlang der Konturen der Berge. Es ist also kurvig. Nun glaube ich, dass ich ganz gut Auto fahren kann. Von hinten kam ein LKW auf, bis über das Führerhaus beladen und oben auf der Ladung noch einige Personen. Der hat es doch geschafft, mich innerhalb kurzer Zeit zu überholen. Wie man hört, hat die Firma innerhalb von zwei Jahren die Hälfte ihres Fuhrparks verloren - so gegen 200 Autos!

 

Vielleicht gleich im Roten Meer entsorgt. In meinen Augen nur ein krankhaftes Macho-Gehabe der Fahrer.