Erinnerungen an Langensalza und das Ende des Königreiches Hannover   Von Fritz Bredemeier

Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen. Zum 139. Jahrestag der Schlacht bei Bad Langensalza machten die Mitglieder des Heimatbundes eine Fahrt dorthin. Ich durfte mit. Langensalza? 1866? Nie gehört. Wieso? Was is´n da?

 

Es ist kaum etwas übriggeblieben. Vierzig Jahre DDR haben auch hier ihre Spuren hinterlassen. Die Schlacht bei Langensalza, in dem Preußen das Königreich Hannover besiegte, bedeutete die Entscheidung zugunsten eines geeintes Deutschlands unter Führung Preußens anstelle einer Anhäufung von kleinen Fürstentümern. Aber ein geeintes Deutschland wurde damals von Frankreich als Bedrohung empfunden und das war der Grund für weitere Kriege. Noch in den 50er Jahren gehörte die Schlacht von Langensalza und der Untergang des Königreiches Hannover zu den Kernerinnerungen der Deutschen Partei, die mehrmals in den niedersächsischen Landtag und auch in den Bundestag kam (wo sie der Regierungskoalition unter Konrad Adenauer angehörte).

 

Ein einig Vaterland war nicht das Ziel des Arbeiter- und Bauernstaates. Folglich wurden die Relikte aus alter Zeit wenn nicht zerstört, so doch vergessen gemacht. Der Zahn der Zeit tat sein Bestes. Währenddessen erinnerte das offizielle DDR daran, dass in Merxleben, Ortsteil von Langensalza, wo viele Opfer der Schlacht von 1866 beerdigt sind, 1952 die erste LPG, Beginn der Zwangskollektivierung, gegründet wurde.

 

Hannoveraner fanden jedoch, dass dort die Gräber ihrer Vorfahren seien und begannen nach der Wende, die Erinnerungsstätten und Grabsteine, die eisernen Zäune und die Inschriften zu restaurieren. Sie befreiten die Grabstätten vom Urwald, stellten die umgeworfenen Steine wieder auf, strichen die Zäune an und begannen die dortige Bevölkerung auf diesen Teil der Geschichte, auch ihrer Geschichte, aufmerksam zu machen.

 

Es fanden sich einheimische Helfer, die in selbstloser Weise die alten Steine wieder aufgefrischt haben.  Es gibt jetzt jüngere Leute, die sich mit den Vorkommnissen auskennen und wissen, wo die Artillerie gestanden und wohin sie geschossen hat. Warum 15 Reiter damals in die Unstrut gestürzt sind, und wer gegen wen was unternommen hat.

 

Und das alles erzählte uns jemand während seiner Arbeitszeit. Das war möglich!  Auch der Bürgermeister der Gemeinde war bei einer kleinen Feierstunde zugegen.  Fünf Mädchen des Gymnasiums haben über die Ereignisse und Hintergründe von damals eine Arbeit verfasst. Dafür wurden sie vor versammelter Mannschaft geehrt. 65 Teilnehmer standen am Denkmal, als die Ansprachen gehalten wurden. Die Fahnen der Einheiten waren zugegen. Die Toten an der Wiege des deutschen Reiches sind also nicht ganz vergessen.

 

Die schmiedeeisernen Zäune und Pforten an der Kirche von Merxleben sind heute renoviert. Die alte DDR-Farbe wurde von Frauen, die sich im Ein-Euro-Job betätigen müssen, abgekratzt. Diese dürfen aber keine Flamme oder Stahlbürsten benutzen; sie kratzen die Farbe mit Spachtel und Messer ab. Das ist halt eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, da darf man keine technischen Hilfsmittel benutzen.

 

Ich frage mich, was hannoversches Militär damals, vier Stunden Autobahn heute von Hannover entfernt, dort zu suchen hatte, um hunderte eigener Landsleute tot zu schießen und selber tot geschossen zu werden.  Tot geht ja noch. Aber die vielen „Blessierten“, welche über zwanzig Kilometer und Feldwegen zum Verbandplatz nach Merxleben transportiert wurden. Mitten im Sommer! Welch herzzerreißendes Elend!

 

Es hat sich nichts geändert. Große Dinge bauen auf Not und Schmerzen der kleinsten Leute auf. Kriege ändern die Verhältnisse, aber bringen den Betroffenen immer Not und Elend. Schmerzen und Tod sind das Zahlungsmittel der Politik