Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (5):
Zu Gast im Shell-Club
In Suez hat Prakla einen „Agenten“ - den Franz. Er ist
Grieche und beliefert uns mit allem, was wir brauchen. Er betreibt auch ein Ladengeschäft. Dort habe ich mich herumgedrückt und meine Zeit totgeschlagen. Den ganzen Tag in der Stadt herumlaufen
macht müde.
Und doch habe ich etwas Interessantes gesehen. Der Bäcker heizt seinen Ofen mit Öl. Das funktioniert in etwa wie eine Lötlampe. Die Flamme heizt ein Behältersystem mit Wasser und den Behälter mit dem Öl. Das Öl kommt naturbelassen irgendwo aus der Erde. Um es brennbar zu machen, muss man es vorher heizen. Das Raffinierte ist, dass der Dampfdruck des Wassers sowohl heizt als auch die Pampe durch ein Rohrsystem in die Brennerdüse treibt. Wenn das Wasser verbraucht ist, geht das Feuer aus. Genial!
Der Höhepunkt an diesem Tag war das Essen im Shell-Club. Franz ist dort Mitglied und kann Gäste dorthin einladen. Glastüren, so an die sechs Meter breit und auch so hoch, führen auf einen Hof und in einen Garten. Dahinter liegt das Schwimmbad. Tennisplätze sind selbstverständlich auch da. - Das Essen ist arabisches Einheitsessen, aber nett zurechtgemacht und sehr schmackhaft.
Abends sind wir mit einem Taxi zu Unterkunft gefahren. Das Auto war amerikanischen Ursprungs und wohl an die zwanzig Jahre alt. Wir waren mit neun Personen drin und hatten Gepäck für einen mittleren Umzug dabei. Auf der Rückbank zog es entsetzlich. Das Radio lief mit vollem Werk arabisch.
Um halb eins waren wir am Ziel. Vier Stunden volle Kanne Radio und Fahrtwind im Rücken - man
gönnt sich ja sonst nichts.
Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (6):
Der Friedhof der Heiligen Stiere
Sonntag, den 14. Januar 1962
„Scheiß auf Geld! Hier kommen wir nie wieder her!“ Das war der Spruch unseres Chefs. Mit der Taxe zu den Pyramiden. Kalter Wind, strömender Regen.
Östlich der Pyramiden finden Ausgrabungen unter Tage statt. Wir gehen hinein. Man wird von einer Art Fieber ergriffen und möchte sofort in alle Gänge kriechen. Der Sand ist so fein wie Zement. Es sind Räume in den Felsen gehauen. Die Wandstärke zwischen den Räumen beträgt keinen halben Meter! Dass muss man erst mal können! Wir sind fasziniert!
Weiterfahrt nach Memphis. Die Leute wohnen in Hütten aus Lehmziegeln. Diese sind kaum zwei Meter hoch und haben ein Dach aus Buschwerk. Es ist ein Raum, der alles enthält, was zu einem Bauernhof gehört. An der Straße wachsen große Kakteen, im Feld steht hin und wieder eine Palme. Aus dem Graben wird mit einer handbetriebenen archimedischen Schnecke Wasser für die Bewässerung der Felder gefördert.
Der Graben ist wohl zwei oder drei Meter breit. Wasser, auch hier überlebensnotwendig, geht nicht verloren. Es wird dem Graben wieder zugeführt.
Das Volk lebt in für uns nicht vorstellbarer Armut und demzufolge in Dreck. Kommt man als Ausländer dort hin, wird man von „Backshis - Backshis“ bettelnden Kindern umringt. Wie die Ameisen fallen sie über einem her.
In Memphis sahen wir den alten „Ramses“. In der Nähe finden Ausgrabungen statt. 50 Araber sind damit beschäftigt, die Arbeit zu tun, die zehn Europäer in der gleichen Zeit schaffen würden. Es wird auch gesungen; Arbeitsgesänge. Einer singt vor, und die anderen Arbeiter übernehmen den Refrain.
Ich wäre länger geblieben, aber das scheiterte an unterschiedlichen Meinungen. - - - - Also weiter nach „Sakara“. Dort befinden sich viele Grabmale. Wir sehen das Grab von Minister Ti und weitere Gräber. Am meisten beeindruckt mich der Stierfriedhof. Der Gang ist wohl 400 Meter lang, zehn bis fünfzehn Meter unter der Erde. In den Nischen am Gang stehen Sarkophage, in denen heilige Stiere beigesetzt wurden.
So ein Steinsarg ist wohl sechs Meter lang, zwei Meter breit und zwei Meter hoch, mit einem Deckel bis zu einem Meter Dicke. Die Särge sind aus einem Stück. Das Material ist Granit oder Basalt. Die Oberfläche ist fein bearbeitet und meistens poliert. Ein solcher Riesenklotz ist voller „Hieroglyphen“, also Schriftzeichen. Insgesamt kommt der Gang auf etwa 25 Särge. An einem Sarg wurde der Deckel wie an meinem Griffelkasten in einer Schwalbenschwanz-Führung eingeschoben!!
Wie sehen ein Schachtgrab wohl zwanzig mal zwanzig Meter groß - und wohl 25 Meter tief und unten drin ein Sarg von wohl hundert Tonnen Gewicht. Ich sehe Schächte mit einer Kantenlänge von 80 bis 100 Zentimeter Weite und so tief, dass ein Ende nicht mehr zu sehen ist. Über einem solchen Schacht war die Deckenhöhe zu dem darüberstehenden Gebirge wohl nur 60 bis 70 Zentimeter!!
Man kommt aus dem Staunen nicht heraus! Ein großartiger Tag!
Aus dem Tagebuch von Fritz Bredemeier, Burgdorf (7):
In der islamischen Totenstadt
Montag, den 15.Januar 1962
Es ist halb neun. Ich bin allein unterwegs. Die Frühstücksbuden haben zu dieser Zeit Saison. Man drängelt sich, um ein Frühstück kaufen zu können. Es wird dann vielleicht auf der Erde hockend verzehrt. Teeküchen mit Benzinkochern sorgen für der nötigen „Schei“.
Ich gehe in Richtung Wasserleitung. Die Wasserleitung ist ein uraltes Gemäuer, etwa vier Meter breit mit oben einer Rinne, in der früher das Wasser Die Mauer ist an der Stelle, wo ich mich gerade befinde, wohl 15 Meter hoch. Zum Berg hin wird die Höhe geringer – wegen des Gefälles.
Die Strecke ist ungefähr vier Kilometer lang. Am nördlichen Teil der Strecke befinden sich Wohnungen, an der südlichen haben Industriebetriebe ihren Standort. Dort bin ich nicht gewesen.
Noch weiter im Norden befindet sich eine moderne Wohnsiedlung mit Zwölf-Familien-Häusern. Es wohnen viele Menschen dort. Die Busse sind total überfüllt. Bäume und Pflanzen gibt es nicht. Bäume sind wohl mal gepflanzt worden, aber sie sind längst durch den Ofen gegangen. Zurückgeblieben ist die nackte Erde.
Ein bedrückendes Erlebnis; eine junge Frau, vielleicht grade 18 Jahre mit schlafendem Kind an der Brust - „Mister - Backshish“. Dazu die Handbewegung des Essens. Es ist schon hart, hart zu bleiben.
Ich bin ins urbane Leben eingetaucht. Die Kinder spielten etwas, was mich an Hikepinke erinnert. In aufgemalten Kästen hinken sie umher und schubsen Steinchen hin und her.
Während ich minutenlang zuschaue, sitzt ein etwa dreijähriges Mädchen auf dem Bordstein und weint. Das Gesicht gerade aus, den Mund offen, die Augen verkniffen, die Haltung steif. Atemzug nach Atemzug schreit es leicht schaukelnd. Keiner kümmert sich darum. Es kann auch keiner hören, denn der Krach auf der Straße ist lauter, als ein dreijähriges Kind weinen kann.
Diese Art zu weinen habe ich öfter gesehen. Manchmal saßen die Augen und der Mund voller Fliegen. Das kümmert auch niemanden.
Die Leitung macht einen Knick. Dort beginnt das Islamische Dorf. Man hat eine Mauer gezogen - für Ausländer gesperrt. Diese Dörfer gefallen mir. Die Straßen sind vier bis fünf Meter breit und von Mauern begrenzt. In der Mauer ist eine Tür, durch die man auf den Hof kommt. Dort befinden sich manchmal Gärten oder Weiden - und auch Grabmäler.
Es ist dort sehr still und sauber. Vor einem Haus sitzen Frau und Tochter auf Rohrmatten in der Sonne. Ich kann nicht umhin, in Richtung der Damen eine Verbeugung anzudeuten, was mit „Salem - Aleikum“ beantwortet wird. Die Mutter hat eine Stimme, die einem Bahnhofsvorsteher gut angestanden hätte.
Ich habe mich in die Islamische Totenstadt begeben. Ich gehe lange durch schmale Gänge, ohne einen Menschen zu sehen. Ich sehe Sarkophage, Häuser und Holzbuden, aber keine einfachen, sondern reich verzierte. Ein Gang - Sarkophage in Reih und Glied und an der Ostseite eine Kaktee. Kein Mensch. An einer alten Moschee, das Minarett steht noch, spielen einige Kinder. Sie wollen Backshis, aber bitten mich, nicht zur Moschee zu gehen.
Ich gehe wieder unter der Wasserleitung durch. Mir fliegt ein Stein hinterher. Dann bin ich wieder im europäischen Teil.